"Guten Tag sagte der Fuchs..."
"Guten Tag", sagte der Fuchs. - "Guten Tag", sagte der kleine Prinz
Haben Sie schon einmal eine Krankheit in ihrem Leben begrüßt?
Ich habe es nach der Diagnose im September 2006 getan. Erstens, weil man durch Wut, Angst und Zorn eh nichts an der Diagnose ändert und außerdem, weil ich zutiefst davon überzeugt bin, dass Leben mehr ist als die Abwesenheit von Leid und Krankheit.
"Guten Tag, Myelom."
"Ein schlechter Tag für Dich!", sagte das Myelom, "Noch bin ich inaktiv, aber wehe, wenn..."
"Wieso machst Du mir Angst mit dem, was ich schon lange weiß? Dass mein Leben als Mensch begrenzt ist, weiß ich. Dass mein Leben durch den Glauben an Christus in Gott geborgen ist, glaube ich. Und daran wirst Du nichts ändern!"
Die Fronten waren abgesteckt. Ich hatte einen ungebetenen Gast in mir, ein Schalentier, wie andere Betroffene sagen, und ich habe ihm den unbequemsten Stuhl angeboten, den ich hatte. Wollen wir ja mal sehen, ob er bleibt.
Krankheit als Gast, Krankheit als Einschränkung von scheinbaren Möglichkeiten und dennoch eine Herausforderung an den Glauben. Viele Aktivitäten, viele Dinge, über die wir uns tagtäglich streiten, verlieren ihre Bedeutung. Anderes wird wesentlicher.
Jeder neue Tag aus Gottes Hand genommen, selbst wenn nicht viel darin passiert - das ist es. Weniger ist mehr.
Und dennoch: Der Kampf wird aufgenommen. Ich gebe nicht klein bei, sondern mit allen MItteln, die es gibt, werde ich dem Gast klar machen, dass er kein dauerhaftes Mitbestimmungsrecht in mir haben wird. Der Vermieter meines Körpers ist Gott, nicht der Krebs.
Seit dem 18.6. bin ich krankgeschrieben. Am 10.6. bin ich als neuer Pastor eingeführt worden, am 17.6. hielt ich meinen vorerst letzten Gottesdienst. 20 Leute waren nur gekommen, schade. Hatten wohl Wichtigeres zu tun. Rückfrage: Was gab es denn Wichtigeres? Der Krebs hätte gelacht: Siehst Du, die Menschen haben immer etwas Besseres als Beten zu tun, aber wenn ich bei ihnen einziehe, dann sind sie gleich in meiner Hand, denn sie haben nichts entgegenzusetzen. Kein Psalm, der helfen könnte, kein Vertrauen in den Glauben, Stoßgebete und Angst. Ich find es gut, dass so wenige kommen.
Ja, da hat er Recht, der Krebs. Niemand wird das verstehen, der nicht selber schon erlebt hat, das man einen Schatz an guten Worten braucht, wenn einem selber die Worte ausgehen. Schade halt! Kann man aber ändern.
18.6. - 7 Uhr
Ich muss nüchtern auf die Station für ambulantes Operieren im Krankenhaus Holzminden. Ein Port soll eingesetzt werden. Das ist ein zentraler Venenkatheter, der unter die Haut implantiert wird und bei dem dann ein dünner Katheder bis fast vor das Herz vorgeschoben wird. Dadurch kann man später bei der Chemotherapie einfach die notwendigen Medikamente zuführen, ohne immer nach Venen stochern zu müssen. Ein kleine OP von 30 Minuten bei lokaler Betäubung. Ich kriege alles mit, kann sogar noch mit dem Anästhesisten ein kleines Gespräch führen, während an mit herumoperiert wird. Ist schon verrückt!
Um 11.30 bin ich fertig, gut gelaunt, aber k.o.
Die nächsten Tage sind nicht einfach, weil man nur auf dem Rücken oder auf der gegenüberliegenden Seite schlafen kann, aber es geht.
19.6.
Ab zum Zahnarzt.
Vor der Chemotherapie müssen die Zähne in Ordnung sein, sagte der Onkologe. Da darf keine Infektion drunter sein. Später, wenn die Abwehrkräfte weniger werden, wäre das schlimm. Also erstmal 2 Backenzähne ziehen...war nix anderes zu machen. Frei nach der Devise: "Über sieben Lücken must Du geh'n..." Das mit den Brücken kommt evtl. später. Schließlich gibt es ja auch Pürierstäbe.
Eine der Wunden bleibt offen, die andere wird genäht, alles ziemlich schmerzhaft. Ich bin für nix mehr zu gebrauchen.
Trinken, schlafen, spazieren gehen, essen, schlafen ....wie gut, dass ich jetzt nicht arbeiten muss, ich könnte nichts Gescheites machen. Ausserdem schmerzt der Arm und ist total geschwollen. Der Körper arbeitet auf Hochtouren.
Das Myelom lächelt! Nein, mein liebes Myelom, auch diese Vorbereitungen werde ich ertragen, schließlich sind sie notwendig. Und, auch wenn es dir nicht gefällt, ich fühle mich gut aufgehoben hier im KKH Holzminden. Schon allein, weil einige aus der Gemeinde hier auch arbeiten und Mut machen.
Mut machen, das ist es, was wichtig ist. Nicht den Kopf hängen lassen und sich vergraben, sondern hinaus ins Gespräch. Im Moment beschränkt sich das auf den Internetchat im Krebskompass <http://krebskompass.de>.
Betroffene und Angehörige tauschen Informationen über Krebs aus, ermutigen sich, blödeln einfach nur mal rum, besprechen und trösten und machen einander Mut für den neuen Tag. Ich freue mich, in diesem Chat mitmachen zu können.
20.6.
Heute war der zweite Backenzahn dran. Die Wunde wird genäht. Eine andere Zahnärztin, Frau Dr.Köster. Sie muss hart ran. Der Bursche sträubt sich. Nach einer Stunde ist er raus, ich bin patschnass (Zitat Frau Dr. Köster: Na, da haben Sie ja ganz schön Wasser gelassen!). Nix wie nach Hause, hinlegen, schlafen.
21.6.
Kein Arzttermin heute. Gott sei Dank!
22.6.
Zahnstein entfernen - eine Katatstrophe, geht oben nur bei kompletter Betäubung. Ich komme mir vor wie ein Elefant nach einem Boxkampf und wanke nach der Behandlung nach Hause. Zweimal hat der Kreislauf derbe Probleme gemacht. Heut passiert nichts Großes mehr, das ist klar.
23.6. und 24.6.
Wochenende. Der Arm wird besser, die Zähne tun weh. Einige Anrufe. Am Sonntag kurz ein Besuch. Nächste Woche kann ich vielleicht wieder Auto fahren, dann werde ich mal in Heinade vorfahren, mal neugierig schauen, wie weit die Handwerker sind. Der Umzug wird nicht vor dem 15.7. stattfinden, dann können die Handwerker in Ruhe arbeiten. Hoffentlich kann ich am 15.7. noch etwas tun...die Chemo beginnt vielleicht am 2. Juli, muss ich noch besprechen. Es kommt auf das OK der Zahnärzte an.
Ich schaue viel fern im Moment. Nicht immer sehr sinnvolle Dinge, aber der Körper lässt hochgeistiges Interesse nicht zu. Nun gut, dann eben ein ander Mal. Beten geht immer. Ich bin doch Pastor von Deensen-Arholzen und Heinade. Für Gemeinde kann ich immer beten. Das gehört zu meinem Arbeitsauftrag dazu. Das mach ich auch. Ich habe sie vor Augen, die Menschen in den Dörfern, ich kenne einige Namen schon. Ich bringe sie vor Gott.
25.6.
Hurra! Zwar habe ich verschlafen aber, man stelle sich vor, ich bin heute Morgen auf der linken Seite liegend aufgewacht. Trotz der OP, trotz des noch leicht geschwollenen Arms, war es möglich. Das erste Mal seit der OP. Das ist ein gutes Zeichen. Ätsch, Du Myelom, es laufen die Vorbereitungen gegen Dich.
Heute habe ich es das erste Mal gewagt, wieder Auto zu fahren. Es ging ganz gut, allerdings drückt der Gurt sehr auf auf die Portwunde. Hoffentlich ändert sich das, wenn die Fäden gezogen sind und die letzten Schwellungen weg sind. Da werde ich wohl mal nach einem Gurtpolster schauen müssen.
26.6.
Der Tag fing ganz gut an, aber als ich gegen 11 Uhr zum Einkaufen wollte, sackte der Blutdruck in den Keller. Die Tabletten oder was immer es war, tun ihren Dienst, leider ein bißchen zu stark. Da half nur hinlegen, ausruhen, schlafen...dann war es wieder ok. Nun war ich einkaufen. Spazierengehen hab ich nicht geschafft, die Zeiten zwischen den Schauern sind einfach zu kurz. Dafür ausgiebig im Krebschat. Es ist gut, sich mit anderen auszutauschen. Reden über die Krankheit ist besser als alles mit sich selber abzumachen. Der Chat bietet eine gute anonyme, oder sagen wir halbanonyme, Möglichkeit. Hier sind so viele Schicksale sichtbar, dass man das Grauen schon wieder davor verliert. Realität, Alltag. Ich werde diese Seiten jetzt einmal ins Internet stellen. Mal sehen!
27.6.
Heute heißt es wieder Zahnarzt! Um 12.30 Uhr bin ich dran. Dann werden wohl die Fäden gezogen und noch ein Zahn behandelt, der Karies hat. Ob es das dann war? Für Morgen sind dann die Fäden bei der OP-Wunde des Ports dran. 11.15h in der Notaufnahme. Dann wollen wir mal sehen, wie alles geheilt ist. Das OK für die Chemo muss von den Zahnärztinnen kommen, vorher macht der Onkologe nix...ist ja auch besser. Seit heute steht diese Homepage im Netz. Bin gespannt, ob es Rückmeldungen gibt! Gestern wieder eine ganz liebe Karte aus einer Gemeinde. Danke dafür!
abends um 23.30Uhr
So, der letzte Zahn ist repariert, die Fäden sind gezogen. Die Zahnärztin wird nun wohl grünes Licht geben. Sie selber bekommt in 7 Wochen ihr erstes Kind. Wir haben uns beide Glück für die nächste Zeit gewünscht. Geben und Nehmen gehören zusammen, egal, ob man krank ist oder nicht. Ich finde das sowieso manchmal schwierig, wie schnell ein kranker Mensch unter "hilfsbedürftig" abgelegt wird, auch wenn er durch seine Krankheit vielleicht vielen viel mehr zum Leben hilft.
28.6.
So, die Fäden sind gezogen. Die Portwunde sieht gut aus. Die zuständige Schwester setzt nach dem ersten Versuch ihre Brille auf und meint: "Oh, da sieht man wirklich besser mit!" Gut für mich, sonst schneidet sie mir noch andere Dinge durch als die Fäden. In 2 Minuten war alles erledigt. Ein Arzt wird zur Kontrolle gerufen. Auch er gibt sein ok. Nachmittags gerät der Mittagsschlaf sehr lang...der Körper fordert, was er braucht.
29.6.
Ich warte auf einen Anruf des Onkologen. Da ich ihn schon dreimal genervt habe in der Praxis und immer nur zu hören bekam: "Wenn die Zahnärzte ok geben, dann sehen wir weiter..." bliebt mir nix anderes über.
3. Juli
Keine Eintragungen während der letzten Tage. Es ist nichts Besonderes im Hinblick auf die Therapie passiert.
Dafür ein schönes Wochenende, mit Kneippen im Wassertretbecken in Neuhaus/Silberborn. Total erfrischend. Das hab ich bestimmt nicht das letzte Mal gemacht.
Auch der anschließende Spaziergang durch die Wälder dort war sehr schön.
Jeder Moment ist mehr wert angesichts der Krankheit. Gell, Myelom, da staunst DU. Du hast Dir gedacht, dass jetzt alles grau wird, nein, die Welt wird bunter wahrgenommen. Gefühle wie Dankbarkeit und das Wahrnehmen der kleinen Dinge sind wichtiger geworden.
Heute kam nun endlich gegen 14 Uhr ein Anruf aus der onkologischen Praxis. Ab Montag werde ich gegen 10 Uhr im Krankenhaus Holzminden auf der Station C1 stationär aufgenommen, die Chemo wird bestellt und am Dienstag geht es dann wohl nach den Aufnahmeuntersuchungen am Montag los. Ungewissheit und Gewissheit zugleich. Gewissheit, weil es nun endlich losgeht, Ungewissheit, weil man halt nicht sagen kann, was wie vertragen wird.
Das mit dem Umzug wird dann auch erst mal wieder schwieriger werden. Mal sehen, wann das geplant werden kann. Irgendwann wird es schon klappen und das lässt dann den Handwerkern auch wirklich die notwendige Zeit.
Krankgeschrieben bin ich jetzt erst einmal bis 31.7. aber das wird sicher nicht die letzte Krankschreibung sein. In den nächsten Tagen werde ich noch einige Dinge ordnen und vorbereiten, damit ich beruhigt ins KKH gehen kann.
4. Juli
Manchmal verliere ich die Orientierung bei den Wochentagen in diesem Warten. Aber das kennt man ja auch aus Urlaubszeiten.
Habe heute wieder einiges vorbereitet für die Zeit meiner stationären Abwesenheit. Dinge ordnen, damit man anderen sagen kann, wo sie etwas finden, falls notwendig. Es ist schon eine komische Zeit, dieses Warten auf die Chemo, zumal das Ganze ja doch recht unplanbar ist. Auch hier hilft wohl wieder nur Vertrauen, Vertrauen, Vertrauen.
Nachmittags habe ich dann meine Krankmeldung direkt beim Superintendenten vorbei gebracht. Ein kleiner Schnack, den wir halten konnten, war eine gute, mutmachende Abwechslung.
Was mich am meisten aufregt ist dieser Dauerregen draussen, der es mir immer vermiest, spazieren zu gehen.
Abends dann für meine Verhältnisse früh ins Bett, also vor 22.30Uhr, und das will etwas heißen.
Einige Anrufe und Mails von lieben Leuten taten gut. Nachdem ich eine Rundmail geschickt habe an viele Bekannte bekomme ich Rückmeldungen auf diese Homepage. Auch schön zu wissen.
5. Juli
Es ist noch morgens. Die Nacht war wirklich erholsam. Trotz des frühen Zubettgehens bin ich erst um 9 Uhr aufgestanden. Wahrscheinlich hat der Körper das gebraucht, gleichzeitig ist es natürlich auch eine Äußerung der Krankheit, dass die Leistungsfähigkeit nachlässt.
Gerade habe wieder einmal im Forum des Krebskompass im Internet gelesen, womit sich andere Betroffene rumplagen.
Am meisten ärgern mich dann Beiträge, in denen von den Scherereien mit Behörden und Gutachtern gesprochen wird. Das ist wirklich so manches Mal unverständlich, welche bürokratischen Hürden kranken Menschen noch zusätzlich vorgesetzt werden.
Vorhin im Fernsehen noch einmal ein kurzer Beitrag über die Krankenschwester der Charité, die mindestens 4 Menschen getötet hat und dabei der festen Meinung war, ihnen Leiden erspart zu haben.
Ein Thema für Gesunde!? Für Kranke jedenfalls zum Aufregen.
Als Kranker, dem vielleicht auch nicht ganz leichte Zeiten bevorstehen, liest und hört man das anders.
Immer wieder habe ich es in den letzten Jahren gehört, dass Menschen kamen und sagten:
"Wir wollen ja unseren Kindern nicht zur Last fallen".
"Wieso nicht?", habe ich dann gefragt.
Langsam bin ich davon überzeugt, dass nur die Anwesenheit von kranken, alten und behinderten Menschen diese Gesellschaft noch "retten" kann.
Retten aus der unbarmherzigen Schnelligkeit, bei der die meisten nicht oder nur schlecht mitkommen.
Ja, wir brauchen Menschen, die stören!
Damit wir wieder lernen, was menschliches Leben grundlegend ausmacht.
Ich könnte jetzt stundenlang darüber schreiben, weil es mein Thema geworden ist seit meiner Vikariatszeit in Hamburg, in der es immer wieder um Heilung und Glauben ging und in der ich dann immer zuständig war für die Menschen, die krank geblieben sind und dann ihren Glauben in Frage gestellt haben.
Nachmittags noch ein Anruf des Landessuperintendenten. Wir kennen uns seit meinem Studium. Tut gut, dass andere mitdenken und sich melden.
6. Juli
Besuch von Freya.
Ein guter Tipp kam heute von Frau Simon: Bad Gandersheim.
Kurzerhand haben wir beschlossen, Bad Gandersheim zu besuchen. Nochmal raus, ehe es ins Krankenhaus geht. Eine sehr gut aufgebaute geschichtliche Ausstellung im Dom (für mehr hat es nicht gereicht heute), die man mit der Eintrittskarte aktivieren kann, führt uns durch Jahrhunderte der teilweise sehr eigenartigen Frömmigkeit der Reliquien und Glaubensstrukturen.
"Haare von Maria Magdalena..." - nun ja.
Schon sehr eigenartig, woran Menschen sich festhalten wollen und welche magischen Verständnisse von Teilhabe am Göttlichen da dahinter stecken.
Walfischzahn von genau dem Walfisch, der Jona verschlungen hat (wieviele es davon wohl auf der Welt gibt?).
Gemahlen hilft dann das Knochenpulver gegen Fieber.
Ich glaube, wenn ich in diesen Jahrhunderten gelebt hätte, würde ich mir angesichts des Krebses jetzt auch irgendeinen Knochensplitter besorgen...
Und heute sind wir aufgeklärter...wirklich? Autogramme von berühmten Persönlichkeiten, Fussballfanatiker, die sich nach dem Tod als Asche auf einem Rasenfeld ihres Lieblingsclubs verstreuen lassen? Ist auch nicht viel anders, oder? Sagen wir es mal einfach: Wir Menschen halten es eben nicht aus, ohne das Greifbare, die Absicherung, und doch mutet uns Gott das zu.
Gerade bei der Diagnose Krebs ist so viel Ungreifbares und Unsicheres zu spüren...
Nach einem kurze Essen und der Rückfahrt nach Holzminden (nicht ohne die Fotschritte im Pfarrhaus von Heinade beim Umbau bewundert zu haben) bin ich k.o. Komplett k.o. und merke wieder, dass ich einen Untermieter habe. Rückenschmerzen, Kreislaufbeschwerden, das ganze Programm und es hilft nichts, Hinlegen ist angesagt. Ein wenig schlafen, ruhen. Dann geht es wieder.
Der Abend: Einfach nur einen Krimi gucken, reden, früh zu Bett.
7. Juli
7.7.07 - die Zeitung ist voll mit Hochzeitsanzeigen. Nein, abergläubisch sind die Menschen nicht, hihi. Wahrscheinlich dienen solche Hochzeitsdaten den Menschen, damit sie ihre Termine nicht vergessen...
Ein Paar ist sehr fromm...die sieben sei für sie mehr als nur ein Datum, göttliche Zahl. Stimmt ja alles, aber man braucht ja auch nicht gleich alles zu überhöhen.
Freya ist wieder los, sie muss arbeiten.
Was werde ich heute noch machen? Ich hoffe, dass das Wetter es zuläßt, ein wenig draussen zu laufen. Dann Wäsche zusammensuchen fürs Krankenhaus, vielleicht ein paar Anrufe. Richtig, ich wollte mir noch eine kleine Telefonnummernliste zusammenstellen für den Aufenthalt im KKH.
8.Juli Sonntag
Verschlafen- eigentlich wollte ich in den Gottesdienst, aber mein Bett hat es nicht zugelassen. Auch gut! Vielleicht hält das Wetter ja wenigstens heute etwas länger als 10 Minuten, dann geh ich nachher noch ein wenig spazieren ehe ich in der nächsten Woche erst einmal nicht raus kann.
Das Witzigste von gestern Abend: Im Lotto gewonnen!
Nein, nicht den Jackpot mit 17 Millionen, sondern sage und schreibe 3 Richtige mit Zusatzzahl. Wenn das nix ist. Das macht einen unglaublichen Gewinn von ungefähr 20 Euro---mein erster Gewinn.
Und dann, so viel Glück gibt es fast nicht...gewinn ich auch noch einen MP3-Player...gut ich gebe zu, es war bei McDonalds, aber immerhin!
Ansonsten war ich gestern bei einem Freund. Wir haben uns lange und intensiv unterhalten. Das war eine gute Abwechslung.
9. Juli
Heute geht es los. Dies werden erst einmal die letzten, aktualisierten Zeilen sein, weil ich im KKH keinen Zugang zum Internet haben werde. Ich bin gespannt, wie es wird und hoffe, dass ich die Therapie einigermassen vertrage.
Danke an alle, die sich bisher auf unterschiedlichste Weise gemeldet haben. Es ist gut zu wissen, dass viele an einen denken.
Gestern war übrigens doch noch ganz schönes Wetter und ich bin wieder nach Neuhaus hochgefahren und habe meine Kneipp-Tret-Runde gedreht.
Alles in allem ein Trödeltag gestern, aber ich habe es noch geschafft, alles für heute zu packen und aufzuräumen, immerhin.
Tschüß bis bald!
Die Tage vom 10.7. bis 14.7.
So, nun bin ich wieder zu Hause. Die vier bzw fast fünf Tage der stationären Aufnahme sind vergangen. Aber alles der Reihe nach:
Aufnahme auf Station B2 mti Aufnahmeuntersuchung. Dabei macht der Port zunächst Schwierigkeiten. Er soll aktiviert werden, auch zur Blutentnahme, aber er weigert sich. Ich krieg schon ein enig die Panik, dass das Ganze nun wieder raus muss, aber , Gott sei Dank, am Schluß läuft alles, wie es soll. Ich werde "verschlaucht" und bin dann bereit zur Verlegung auf die eigentliche Station C1.
Ein Einzelzimmer--was für ein Luxus. Gabs grad, war nicht so angefragt. Und ich bin froh drüber. Wieder treffe ich viele Bekannte, die ich schon vorher im KKH gesehen habe, unter anderem witzigerweise mein direkter Zimmernachbar auf Etage 4 des Wohnheims. Wir haben uns nie so richtigt vorgestellt...er ist Zivildienstleistender. Nun ja...
Ich besorge mir eine Telefonkarte, um erreichbar zu sein, ansonsten passiert ausser Routineuntersuchungen erst einmal nix.
10.7. Dienstag
Der Tag beginnt gegen 630 Uhr. Routinemessungen Gewicht, Blutdruck, Blutzucker, Temperatur und ein satter Cocktail von mindestens 7 Pillen, die ich nehmen soll. Nun ja, das geht dann vor, zwischen und nach den Brötchen...aber im Nachhinein wird sich das als gut herausstellen. Antviotika zur Vorsicht, Antibrechmittel, damit man nicht nur mit Übelkeit zu tun hat, alles gute Massnahmen, die zwar den Körper hart herannehmen, aber letztlich gut wirken.
Ich trinke viel, um meine Nieren zu entlasten. Sehr gespannt, wie es wohl werden wird, wenn die Medikamente angeschlossen werden.
Gegen 14.30 beginnt die erste Perfusion, ganz langsam mit 0,21 ml/h werden die beiden Medikamente angeschlossen. Kein Stechen, der Port tut seinen Dienst, was für ein Glück.
Mit dem Cortisonpräparat steigt der Blutzucker steil an...ist normal und muss beobachtet werden.
11.7. Mittwoch
Keine Übelkeit, toll. Ich bin erleichert. Alles scheint gut zu laufen. Heute hat Fr. Geburtstag. Wir telefonieren. In der Nacht, als ich nicht schlafen konnte, brachte mir die Nachtschwester ein Stück Torte, spendiert von einem Schüler, der auch am 1.7. Geburtstag hatte..was für eine nette Geste!
Ich fühl mich gut betreut, das ist wichtig!
Abends Besuch von Herrn Simon aus Heinade, sehr schön. Jetzt,wo alles einigermassen friedlich mit den medikamenten läuft, ist es gut, mit jemandem zu reden. Schön auch zu sehen, wie viele aus den Gemeinden an mich denken, Karten schreiben, kleine Geschenke schicken...das tut so gut.
Gegen 13.30 wieder neue Infusion angeschlossen. So langsam bedeutet das, dass ich dieses Schlafanzugoberteil wohl die ganzen 4 Tage anhaben muss.
Aufstehen kann ich, aber verschlaucht bleibe ich. Ich kann den Strom abstellen und mit dem Chemoständer zur Toilette und zum Waschen gehen. 6 Mal am Tag mit Kamille gurgeln, 4 Mal mit einem anderen Mittel gegen Pilze, weil sich bei dieser Chemo leicht die Schleimhäute entzünden. Eine gute Abwechslung, aber auch anstrengend, weil mmer wieder mit Aufstehen verbunden. Ich döse viel, schaue mir die Tour de France an, weil sie nicht so schnelle Bildfolgen hat und wunderbare französische Landschaften zeigt. Das Chemohirn ist nicht mehr ganz so schnell...
12.7 Donnerstag
Gewicht geht eiter nach unten. Hab schon 2 Kilo abgenommen. Na, das ist ja auch nicht schlecht.
Heute kommt Freya, ich freu mich. Ach ja, gestern und am Montag war noch Pastor Höfer zum Besuch da, der Krankenhauspastor, auch eine gute Sache!
Es passiert nicht viel ausser dösen und schlafen und Messungen und TV und Lesen und Essen und schlafen...eben das Notwendige, mehr nicht. Manchmal ein Anruf, meine Schwester, meine Nichte, andere...
Aber alles in Grenzen und verkraftbar. Die Ärzte sind nett, guter Dinge, dass ich Samstag wieder raus kann...ich bin erstaunt, das hätte ich nicht gedacht.
Nachts schlafe ich recht flach, immer wieder wache ich auf, schiebe es auf das Dösen am Tag, oder sind es doch die Medikamente, na egal, Hauptsache keine Übelkeit.
13.7. Freitag
Mittags noch einmal Wechsel der Perfusion, das vierte und letzte Mal.
Gutes Gesoräch mit dem Onkologen mit Vorplanung für die nächste Zeit. zweimal pro Woche Kontrolle ambulant bei ihm, ansonsten weiter mit der Chemo, die allerdings nur noch alle 5 Tage aus 4 Tagen Cortison besteht. Mal sehen, wie das alles so weiter geht. Wenn was ist, muss ich mich sofort melden, vor allembei Fieber oder Infektionen. Man muss halt aufpassen. Aber ich werde mich mit meinem Mieter da schon arrangieren, dass er mir da keine Probleme macht.
Freitag gegen 14.30 Abschlußgespräch mit 2 Ärzten. Ich kann Samstag raus. Wohne ja wirklich nur 1 Minute weg im Wohnheim und kann jederzeit kommen, wenn es notwendig ist.
14.7. Samstag
Es ist so weit. Gegen 12 Uhr ist die letzte Perfusion fertig, der Prot wird wieder geblockt mit Heparin und damit auch die Nadel entfernt, nichts erinnern an die Verkabelung ausser einer kleinen Pflasterabdeckung zum Schutz. Ich kann mich wieder frei bewegen. Und dann geht es rasend schnell. Innerhalb weniger MInuten hat das Bettenteam mein Zimmer schon wieder neu vorbereitet, ich warte noch auf Freya, die mich mit meinen 7 Sachen abholt und dann geht es rüber ins kleine Appartment. Ich bin wieder zu Hause und leg mich gleich hin. Der kleine Weg macht schon müde. Könnte nur sehr sher kleine Bäume ausreißen.
Annika, Freyas Freundin ist auch gekommen über das Wochenende. Die beiden unternehmen einiges zusammen, kaufen ein, kochen, das lässt mir die Ruhe, wieder anzukommen und die vielen lieben Mails zu beantworten, die von allen Sriten eingetroffen sind. Überwältigend. Danke Euch allen!
Nun werde wir sehen, wie es die nächsten Tage wird. Am Montag dann zur Ambulanz und weiter...immer weiter. Und jeden Tag neu geniessen, so weit es geht.
15.7. Sonntag
Nichts geht mehr! Schlapp, schlapper, Chemo, könnte man sagen. Gut, ich will nicht klagen, es könnte ja auch mit viel Überlkeit verbunden sein, aber diese Kraftlosigkeit und Schwäche mus man erst einmal wegstecken. Alttestamentlich wäre der Onkologe ein richtiger Prophet. Nach dem dortigen Masstab ist ein Prophet einer, dessen Voraussagen dann tatsächlich auch eintreten. Und als er mir am letzten MIttwoch sagte: "Na, sie werden nach den Infusionen noch sehr schlapp sein", hat er das richtig vorausgesehen. Es ist so. Liegen, aufstehen, sofort wieder hinlegen, knörig sein. Ein nicht ganz üblicher Rhythmus in meinem Leben.
Schön heute das Frühstück, das dann doch wieder Kraft gibt. Ansonsten lief nicht viel. Die beiden anderen haben Spaziergänge gemacht und mich in Ruhe gelassen. War auch besser so. Später dann noch einige Anrufe. Guttuende Rückmeldungen, die mich emotional sehr ansprechen. Wieso haben Menschen einen so gern? Ich bin dankbar dafür und weiß immer mehr, am richtigen Platz zu sein. Einfach so.
Was viel schwieriger zu vermitteln ist, ist, bedingt durch die Medikamente eine vollkommen andere Körperwahrnehmung. Als sähe man sich selber von außen, als einen Fremden, mit dem etwas passiert. Also nicht mit dem "Ich" voran, sondern im gegenüber zu sich selbst. Das, was einem sonst nie gelingt, nämlich mal von außen auf die eigene Person zungucken, scheint plötzlich Wirklichkeit zu werden. Sehr sehr interessant und nur nachzuvollziehen, wenn man offensichtlichs chon einmal einen solchen körperlichen Grenzzustand erlebt hat.
Da ich davon gehört hatte, habe ich vorher schon mal den ganz nahen Personen gesagt, sie mögen bitte Launen und Reaktionen in diesen Tagen nicht auf die Goldwaage legen - das war auch besser so.
Und dazwischen immer wieder kurze Sequenzen des Gebets. Geht wirklich immer. An die Menschen denken, die um mich herum sind, egal, ob sie sich melden oder nicht. Gemeindeaufbau im Liegen sozusagen, hihi. Eigentümliche Vorstellung in einer Welt der Macher.
Ein Begriff schwirrt durch meinen Kopf: "Parallelwelt" - so komm ich mir im Moment vor. Herausgenommen aus dem Normalen ohne die Möglichkeit, etewas zu beeinflussen. Geschehen lassen und abwarten...alles neu zu üben.
So, jetzt geht nix mehr, bekomme gerade Schweißausbruch, also lieber hinlegen und Klappe halten.
16.7.Montag
Morgens ging es erst nach dem Frühstück so einigermassen. Blutdruck nicht gerade prall. gegen 10 Uhr dann zum Blutbild zum Onkologen und noch einmal den gesamten Bahndlungsplan mit Daten aufschreiben, damit ich auch weiß, wann was dran ist. Nachmittags total niedriger Blutdruck, warum bloß? Irgendwie kommt mir etwas spanisch vor. ich prüfe nach, welche Tabletten man mir mitgegeben hatte vom KKH. Und siehe da...ohne,d ass man mir es gesagt hatte, hatte ich ich eine vermeintlich für etwas anderes gehaltene tablette gegeben, die sich als dasselbe Medikament herausstellte, das ich sowieso gegen Bluthochdruck nehmen muss. Ende vom Lied: 3 fache Menge mit dem Resultat von 80/50 Werten...
Ich nehm das jetzt einfach mal sportlich und werde mich in den nächsten Tagen schön umschauen, was ich zu mir nehme...der aufgeklärte Patient lebt wohl doch ein bißchen länger...zumindest mit höherem Blutdruck!
Ansonsten schmeckt das Essen und es ist einfach zu warm im 4 Stock bei einem Zimmer und direkter Sonneneinstrahlung.
17.7. Dienstag
Um 5.o1h habe ich ausgeschlafen...drücke mich noch bis 6.21h im Bett rum und mache dann meinen ersten weiteren Gang zum Bäcker und treffe Frau Wentzlaff nach ihrem Nachtdienst. Hab mich gefreut...immer wieder bekannte Leute.
Nachdem ich jetzt nur noch die richtige Menge Blutdruckmittel nehme ist der auch wieder ok. Es geht mir viel besser heute. Die Rezepte, die ich abholen lasse, gehen schon wieder über die 150 Euro---man kann an Krebs ganz gut verdienen. Allein die Übelkeitspillen, die hier neben mir liegen, schlagen mit 140 Euro zu Buche für 10 Stück.
Morgens versuche ich den Umzug zu organisieren und, unglaublich, die dame bei der Freiburger Frachtlogistik macht es möglich, dass am 20.7. die Sachen aus Lemförde abgeholt werden und noch am selben Tag in Heinade abgeliefert werden. SUPER!
Ich telefoniere mit Lemförde wegen des Umzuges. Liebe Leute werden dort mithelfen und es mir so ermöglichen, hier zu bleiben. Könnte auch noch gar nicht so weit fahren.
Da sind dann die Tage hier im Wohnheim doch gezählt und ich freue mich, endlich ein wenig mehr Luft zum Atmen zu haben. Sicher, einiges wird anders. Neue Umgebung, erst wieder alles einrichten, anmelden, ummelden etc pp. Aber, weil es so schön geht, meld ich schon mal bei der Telekom einen neuen Anschluß an. Klappt sogar prompt, unglaublich. Ummeldung Internet auf sehr sehr langsam wird aber dauern. Wie sich das auf die Homepage auswirkt, weiß ich nicht, aber es wird wohl ab dem 25.7. etwas stiller werden hier. Mail wird dennoch gehen, denke ich, allerdings nur mit normalem Modem.
Morgen heißt es dann wieder: Auf zum Lustigen Cortison-Einnehmen - dann werde ich wieder weniger essen müssen, auf den Blutzucker achten. dafür ist ann das Asthma weg...auch nicht schlecht. Wie Ihr merkt, berappel ich mich gerade ein wenig und bin froh drüber.
18.7. Mitwoch
So 40 mg Cortison intus, dazu noch eine Antibiotikabombe und die normale Blutdruckmittelmenge (grins).
Ich entschließe mich, heute mal einen Einkauf zu wagen.
Ich kauf ein Bett mit allem drum und dran, weil ich ja umziehe und noch keines wieder habe. In 14 Tagen wird es geliefert, bis dahin werd ich auf einer Liege schlafen, geht auch.
Ab und an Schweißausbrüche und immer wieder das Gefühl, dass diese ganzen Medikamente mein Gefühlsleben mehr verändern als gedacht.
Interessanterweise aber nicht in Richtung Angst und Sorge, sondern in Richtung Dankbarkeit und Überwältigtsein über so viele liebe Menschen, die einen begleiten und stärken.
War mir so sonst doch recht unbekannt. Man kann natürlich auch gehässig sein und sagen: Die Nerven liegen blank! -- aber das verkneif ich mir.
EXKURS des TAGES:
Habe heute mal wieder überlegt, wie ich in Zukunft meine Essgewohnheiten etwas ändere und sie meinem dicken Bauch, dem Bluthochdruck, den Gelenken, dem Krebs und einem kleinen Dorf ohne allzugroße Einkaufsmöglichkeiten, ohne zu fahren, anpasse.
Folgende geniale Lösung habe ich gefunden:
1.) Anschaffung eines Gefrierschrankes - den gab's bei Aldi und dankenswerterweise hat jemand aus der Gemeinde sich in das morgendliche Gewühl der gierigen Hausfrauen in Dassel gemischt und hat tatsächlich einen von den 4 vorhandenen Schränken ergattert.
2.) Ich stell um auf chinesische Küche mit WOK. Viel Gemüse, hochwertige Öle, frische Verarbeitung, auch in kleinsten und angepassten Mengen schnell zubereitbar, ohne dass man wegen Blutdruckproblemen sich zwischendurch hinlegen muss, während das mehlgebundene Kohlrabigemüse anbrennt und verkocht.
3.) In Kombination von 1 und 2 werden demnächst im mise-en-place (PS: zur Erinnerung ich war mal Koch) größere Mengen Gemüse frisch erworben, gesäubert, kurz blanchiert, und so eingefroren, dass sie später einzeln entnehmbar sind (ja, ich weiß, dass es Bofrost gibt, aber die Blumenkohlröschen von Bofrost kriegt man nicht auf Stäbchen, da braucht man massive STÄBE). Dazu erwerbe ich die Angebote im Fleisch und Fischsektor und schneide sie entsprechend zu, friere sie ebenfalls so ein, dass sie portionsweise entnehmbar sind.
4) Ich stell mir ein Kaleidoskop von chinesischen Grundzutaten in den Bereichen Saucen, Würzmittel, Essig, Sake (ja, so ein bißchen...), ersetze kurzerhand die Öle durch lokale Sollingöle (ausser dem gerösteten Sesamöl) und schaffe mir einen Vorrat an unterschiedlichen Reissorten und Nudelvarietäten und verzichte auf Garnelen, Taubennester, Tausendjährige Eier, Haifischflossen und gedörrten Hund.
Damit erreiche ich hoffentlich folgende Ziele:
1) Der Bauch wird etwas dünner, der Blutdruck sinkt
2) Ich hab alles im Haus, auch wenn es mal nicht so gut geht.
3) Ich habe abwechslungsreiche Gemüsekost und vermeide durch das gekochte Gemüse rohe Dinge, die Pilze etc tragen können
4) Ich hab was, an dem ich mich freuen kann.
5) Ich bin bereit, wenn jemand anderes absoluten Japs auf Chinaessen hat, das innerhalb von 20 Minuten ein solches bei mir auf dem Tisch steht für ihn/sie - Anruf genügt, Wünsche werden möglichst beachtet, über die Unkosten reden wir nachdem es geschmeckt hat, grins!
(So, das war nun ein Exkurs anderer Art, denn das normale Leben geht ja doch weiter und den Gefallen tue ich dem Myelom nicht, mir alles vermiesen zu lassen. Ätsch!)
Ansonsten ein Besuch heute, sehr nett und viele Telefongespräche.
Abends im Krebskompass Chat. Es war das erste Mal mit genügend Kraft.
Plan für Morgen: Onkologie Blutbild, chinesisches Mittagessen, Cortison, Hoffentlich mal wieder genug Lust zum Lesen
19.7. Donnerstag
Wieder mal Blutwerte abnehmen. Nachmittags ein kleiner Ausflug nach Hellental, gute Gespräche und noch einmal in die Wohnung. Treffen mit Herrn Simon.
Abends kann ich wieder nicht einschlafen, erst gegen 2 Uhr klappt es.
20.07. Freitag
Der Tag des Umzugs. Ich lasse es langsam angehen morgens. Das späte Einschlafen kann ich mit einem etwas längeren Ausschlafen kompensieren. In Lemförde werden so gegen 9 Uhr die Möbelpacker aktiv und sind um 11h30 fertig.
Ich gehe kurz vor 12 noch einmal zum Onkologen und frage die Blutwerte ab. HB Wert zwar gesunken auf 12,2 aber immer noch innerhalb des quasi Normalen, Leukos auf 7,3, Thrombozyten weniger, aber noch innerhalb der Marche.
Ich lege mich ein wenig hin und fahre gegen 13.30 nach heinade. Kaum eine halbe Stunde später treffen die Möbelleute ein, vier junge Männer. Ich delegiere in die Zimmer, dabei hilft das nicht angemietete, große Wohn-und Esszimmer als Zwischenlager. Gegen 16 Uhr ist alles oben bzw. so weit verstaut, dass ich morgen mit meinen Sachen aus Holzminden einziehen und dort bleiben kann. Toll! Ich bin begeistert, wie unkompliziert das war. Fa. Krüger hatte auch morgens schon den E-Herd angeschlossen und der Linoleumfußboden war auch gewiehnert--was will man mehr.
Der Gefrierschrank läuft.
Zur Feier des Tages will ich die mitgebrachten Ravioli in der Dose (gut, kein chinesisches Essen und sicher auch nicht so gesund, aber ein typisches Ersteinzug-Single-Notfall-Essen) genießen, aber der Öffner liegt in Holzminden. Ich fahre also nach einem Schnack mit den Nachbarn zurück und wundere mich, wie fertig man sein kann, ohne viel gewuchtet zu haben. Grenzen müssen halt beachtet werden.
Vielleicht pack ich noch was zusammen heute Abend, wenn ich nicht schlafen kann,sonst morgen früh. Gegen 9 wollen die freundlichen Helfer kommen und mir beim Ausräumen des Einzimmer-Apartments helfen.
Bis Mittwoch habe ich aber noch den Schlüssel.
Dann ist Übergabe und ab Morgen Nacht schlafe ich in Heinade--endlich!
21.7. Samstag - der Tag des Umzuges
Ich schreibe diese Zeilen bereits am Sonntag mit ganz schrecklich langsamem Internetzugang über 28,8 Modem...nun ja, dann mit eben etwas Geduld, denn das muss ich eh jetzt immer mehr lernen, mit mir geduldig zu sein und den Kräften, die nicht da sind.
Ich habe gut bis 7 Uhr geschlafen und bereite nach einem gemütlichen Frühstück schon einmal ein paar Kisten vor zum Transportieren. Die Wege zum Beladen sind so ausgesucht, dass keine Treppen geschleppt werden müssen, Rollwagen ist da...einfach gut! Und der Aufzug von Stockwerk 4 bis E tut das Seine.
Gegen 9h15 als ich das erste Mal schon wie ein Schluck Wasser in der Kurve hänge, rücken die 5 an, die mir helfen und innerhalb etwas mehr als 1,5 Stunden haben wir nicht nur alles in die Autos verstaut, sondern auch das Zimmer so hergerichtet, dass ich die nächsten Tage da nicht mehr viel putzen muss. Offizielle Übergabe ist Mittwoch. Bei mir geht allerdings dann gar nichts mehr. Ich komme noch dazu ungefähr zu sagen, was wo hin soll, allerdings landen die meisten Kisten erst einmal im großen Abstellbereich, dort können sie geduldig warten.
Ein Schrankaufbau verzögert sich, weil ich nicht mehr weiß, wo die Auflagen der Bretter sind. Ich finde sie abends erst.
Gemeinsam essen wir leckere Brötchen, die wieder andere vorbereitet haben, zwei Kuchen, 4 Kannen Kaffee wie aus dem Nichts - es ist überwältigend, wie alle mithelfen.
Gegen 14 Uhr entschließen alle, dass es besser ist, mich jetzt in meiner äußerst vornehmen Blässe einfach allein zu lassen. Ich sage dass ich mich melde, wenn ich wieder Leute brauche.
Danach - Ruhe! Ich dusche das erste Mal im neuen Bad und lege mich dann einfach 2 Stunden zum Schlafen - und erhole mich gut.
Abends noch ein bisschen im Büro geräumt und gegen 23.30 falle ich in tiefen Schlaf bis morgens um 7h30.
22.7. Sonntag
Die erste Nacht war sehr gut, ruhig, Luft zum Atmen, Platz zum Laufen, Lust aufs Singen, einfach froh darüber , nun endlich hier zu sein. Ich merke wie sehr ich mich in diesem Haus gleich wohlfühle. Es ist schön renoviert worden, da macht es Spaß seine Sachen einzurichten.
Allerdings bin ich seit heute wieder auf Cortisonentzug, alles zittert an mir, Blutdruck ist aber in Ordnung, nur keine schnellen Bewegungen oder Bücken etc sind gut.
Ich gehe zum Gottesdienst, kann die Leute begrüßen, mich auch bedanken für viele gute Worte. Alle freuen sich, versichern mir ihre Hilfsbereitschaft.
Ich komme zur Ruhe in den bekannten Liedern in schöner Umgebung.
Zu Hause angekommen, erst einmal wieder hinlegen, Pause machen und danach verwandle ich die noch übrigen belegten Brötchen in leckere Baguettes aus dem Ofen und bin nun satt. Tja und dann den raschen Entschluss, Email und diese Zeilen zu schreiben, was halt alles etwas langsamer geht wegen der langsamen Modemverbindung.
Morgen steht dann wieder Blutentnahme auf dem Programm. Am Freitag waren die Werte ja wieder niedriger, HB 12,2. Nun ja, wir werden sehen, wie es morgen wird.
26.7. bis 31.7.2007
Ich habe lange nicht geschrieben, weil einfach der link im Moment zu schwierig ist. Ein langsames Modem lässt es kaum zu, die Homepage zu editieren. Aber das hatte ich ja bereits vorher geschrieben.
Hier also im Schnelldurchlauf das, was passiert ist.
Erst einmal läuft die Chemo ganz gut weiter. Die Phasen Cortison und Nicht-Cortison sind die schwierigsten, dann geht das Herz schneller, Stress wirkt sich eher aus, ich komme leichter aus der Puste. Muss halt langsam machen. Immer wieder liegen oder sitzen, etwas trinken, ausruhen.
Froh bin ich, dass die Fahrten nach Holzminden zum Arzt im eigenen PKW möglich sind, auch wenn ich danach erleichtert bin, wieder zu Hause zu sein, denn länger als 2 Stunden unterwegs ist dann doch etwas viel.
Am Samstag, den 28.7. konnten wir Geburtstag nach-feiern. Leider konnten nur drei der sonst 11 eingeladenen kommen. Urlaub, Krankheit etc verhindern halt manchmal das Kommen. Dennoch war es gut, die Freunde hier zu haben.
Dazu bin ich sogar schon um 5 Uhr aufgestanden (weil das Cortison mal wieder gesagt hat: Reicht mit Schlafen) und habe Laugenbrötchen gebacken, schwäbischen Kartoffelsalat gemacht und das Kassler für abends eingelegt. Damit war das Abendessen bereits fast gesichert und wir konnten den Tag langsam angehen lassen.
Die Blutwerte bewegen sich nach wie vor in einem erträglichen Bereich, zwar am unteren normalen Rand aber nicht so, dass irgendetwas gemacht werden müsste.
Am 2.8. ist Arzttermin und dann wird die Einweisung ins KKH anstehen am 6.8.
30.7. Montag
Heute morgen hab ich bei VERTIKO in Holzminden (einer Beschäftigungsinitiative, die gebrauchte, alte Möbel aufarbeitet und weiterverkauft) vier Bücherregale erworben und sie wurden mir bis in die Wohnung transportiert. Erst wollte ich selber etwas bauen, aber dann habe ich vor Arbeit, Preis und Zeitaufwand doch lieber auf die fertigen zurückgegriffen, die schön aussehen und frei stellbar und damit verstellbar sind. Ein echtes „Schnäppchen“.
Und nachmittags kam das neue Bett, in dem ich nach dem Aufbau wirklich gut die erste Nacht verbracht habe. Es ist schon etwas anderes als so eine Klappliege!
Damit war die Kraft dann aber auch am Ende und selbst das Fernsehen machte keinen Spaß mehr
31.7. Dienstag
Heute beim Duschen hatte ich sie in der Hand - büschelweise Haare-es geht also los und ich muss mir langsam Gedanken machen, ob ich ein Steppenwachstum ertragen möchte, also von Zeit zu Zeit und Ort zu Ort mal hier und da ein Busch Haare, dazwischen Wüste. Oder ob ich mich für die rasierende Variante der Kahlbehandlung entscheide und dann ganz neue Möglichkeiten der Hutmode ausprobiere. Ich neige eher zu Letzterem.
Außerdem warte ich auf die Telekom. Die waren ja am Donnerstagmorgen erschienen, als ich beim Arzt war und nicht zur vereinbarten Zeit um 16 Uhr.
Wenn sie einmal schneller sind, klappt es also auch nicht, hihi. Nun hab ich heute zwischen 8 und 10 Uhr hier zu sitzen. Davon ist die erste Stunde schon rum! Es geht eigentlich nur um den Anschluss von 2 Drähten in eine neue Verkabelung. Die Nummer liegt schon an! Wir werden sehen, ob es heute klappt. Dann kann ich von oben aus normal telefonieren und brauche nicht immer zu hoffen, dass das D2-Netz heute besser ist als gestern.
Und wenn alles gut läuft, wird DSL in so einer Woche vielleicht auch aufgeschaltet sein.
Kommunikation ist doch sehr wichtig, habe ich gemerkt, sei es für den Austausch mit anderen von der Krankheit betroffenen Leuten oder aber nur auch, um die alltäglichen Geschäfte erledigen zu können, was unbezahlbar ist, wenn man ansonsten eher ans Haus gebunden ist.
6. August Montag
Es ist schon komisch, wie anders eine "zweite" Behandlung ist. Macht man sich bei der ersten viele Gedanken und weiß ja auch nicht, wie alles gehen wird, ist vieles beim Antritt der zweiten Einheit schon ganz bekannt und nicht mehr so fremd. Fragen wie: "Wie werde ich es vertragen?" oder "Welche Nebenwirkungen werde ich haben?" sind plötzlich erträglicher. Auch eine gute Erfahrung! Die Rückkehr in ein schon bekanntes Umfeld im Krankenhaus, bekannte Menschen, die einen pflegen werden, das sind wichtige Elemente, muss ich feststellen und nehmen auch der Krankheit ein Stück ihrer Anonymität.
Also heute gegen 10 Uhr wieder Vorstellen bei der Aufnahmestation in Holzminden...die Daten stimmen, auch der Aufnahmearzt ist derselbe. Der Port kann wieder nicht zum Blutentnehmen genutzt werden...nun ja, dann ist es eben eine Einbahnstraße, Hauptsache, die Chemo kann dadurch gegeben werden.
Nach der umfänglichen Eingangsuntersuchung gehe ich selber auf die C1 und werde in mein Zimmer 132 gebracht.
Ein Mitpatient aus Kasachstan ist schon fast 10 Tage hier...mal sehen, wie wir uns vertragen!
Heute passiert nichts groß mehr, da die Chemomedikamente immer erst am Dienstag in Bad Pyrmont angemischt und geliefert werden, also noch unverkabelt und unverschlaucht etwas Freiheit geniessen.
Abends zeigt sich dann aber schon, dass das mit dem Geniessen so seine Grenzen hat.
Der Mitpatient, ein 68 jähriger Mann aus Kasachstan, entpuppt sich zum Permanentschnarcher mit Lautstärkenspitzen im Bereich von 70 bis 80 dB. Oropax hilft mit einer Dämpfung von 30 dB dabei auch nicht mehr...das kann ja heiter werden.
Alle Pfeif-, Rede-, Hust- und sonstigen Übergriffe bringen nichts.
Gott sei Dank kann ich später mit der Nachtschwester einen "Deal" machen.
Eine Frau aus einem anderen Zimmer musste kurzfristig auf Intensiv verlegt werden und sie gestattet mir, mit meinem Bett, in deren Zimmer umzuziehen...
"Schwein gehabt" - ich schlafe wie ein Murmeltier.
Gut, am nächsten Morgen ist es dem Mitpatient peinlich, aber er weiß es ja, dass er so schnarcht und machen kann er halt nix dagegen.
Tut mir ja auch leid, aber ich bin froh, die erste Nacht so glimpflich verbracht zu haben. Seine Frau erzählt mir, dass sie das nun seit 45 Jahren erträgt und meist nur 3 Stunden wirklich schläft...was sind Menschen geduldig!
7. August Dienstag
Es geht los. Die bekannten Medikamente werden angeschlossen. Ab sofort ist die Bewegungsfreiheit eingeschränkt, auch wenn ich auf den Gang und die Toilette noch gehen kann. Aber an Duschen oder ähnliches ist nicht mehr zu denken.
Die Vorsichtsmassnahmen gegen Übelkeit werden getroffen.
Tja, und da es dann auch wieder mit dem lieben Cortison losgeht, beginnen die Blutzuckerwerte verrückt zu spielen.
Da hilft dann nur ein engmaschiges Messen und die spontane Gabe von Insulin, wenn es denn höher geht. Die Werte schwanken zwischen 111 und 256. Da muss ich mich mental auch erst daran gewöhnen, dass es nun auch um diese Werte geht. Ansonsten sind wenigstens der Blutdruck und die anderen Werte stabil.
Heute Abend ist nix mit Flucht aus dem Zimmer, die Frau ist zurück von Intensiv, die anderen Zimmer sind voll, ich muss ausharren und tue das mit einem Roman über Morde im mittelalterlichen München...nun ja, vielleicht etwas abwegig, aber ganz nett und sehr, sehr dick als Buch!
Mein Mitpatient hat beschlossen den halben Solling heute in einer Nacht zu "sägen", ich kann ihn nicht daran hindern und auch das immer blöder werdende Fernsehprogramm mit Kopfhörer kann mich nicht ganz von seinen Geräuschen abblocken.
Ich gehe stundenweise auf den Flur, lese dort, trinke Kakao (auch nicht so gut für den Blutzucker, ich weiß!) unterhalte mich mit der Nachtschwester und lese und lese bis 4h30. Dann gehe ich ins Zimmer und irgendwie fällt dann doch der Schlaf über mich.
Ich bin froh, dass ich tagsüber dann vielleicht noch schlafen kann.
8.August Mittwoch
Alles geht seinen Gang, mein Buch ist fertig. Die grünen Damen bringen mir aus der Bücherei drei weitere Krimis, aber ich kann sie nicht lesen.
Noch selten habe ich schlechtere Krimiliteratur angefangen zu lesen und auch meine Geduld: "Na, es wird sicher noch spannend!" zahlt sich nicht aus. Ich lege die Pamphlete weg. Wer druckt so einen Schwachsinn?
Die Chemo und die nächtlichen Eskapaden machen mich mürbe und ich habe keine große Lust, etwas zu lesen oder zu tun. Fernsehen wird auch nach der 4ten Wiederholung des NDR-Magazins uninteressant!
Das Essen beginnt, nicht mehr zu schmecken, wieder verändern die Medikamente den Geschmack und die Krankenschwestern sollten m.E. noch einmal einen Kurs zur Bedienung ihrer Infusionsapaarate machen, da das immer wieder zu Problemen führt.
Tagsüber ist mein Mitpatient immer auf Achse...da bin ich allein im Zimmer. Ab und zu mal ein Anruf, aber diesmal bedeutend ruhiger als beim ersten Mal.
Und dann wieder die Nacht ... schnarchen, rufen, pfeifen, fernsehen, wegdösen, aufwachen, sich aufregen, autogenes Training, genervt sein...die Stimmungslagen wechseln sich ab, aber manchmal habe ich das Gefühl, dass es ein bißchen besser ist.
Ich habe aber Hoffnung, denn der Mitpatient wird entlassen, bis Montag. Manchmal habe ich das Gefühl, man hat das auch ein wenig aus Mitleid mit mir gemacht...aber das Gefühl kann ja täuschen. Ich bin jedenfalls froh, dass ich nur noch eine Nacht so ausharren muss. Es geht dann ganz gut und ich weiß nicht, wie es geklappt hat. Vielleicht war ich auch durch die Medikamente so gleichgültig, dass der Schlaf eher kam.
Was mich beunruhigt sind diese blöden Blutzuckerwerte und dass kein Essen mehr schmeckt. Ich träume von leckerer Pizza und werde mir, wenn ich nach Hause komme, sicher selber eine machen!
Unschön auch die mit den Medikamenten einhergehende Verstopfung...aber auch da muss man "durch".
Wie sagte mir neulich jemand etwas salopp: "Kacken ist ne große Not und wer nicht kacken kann, geht tot!" - iss wohl viel Wahres dran, auch wenn ich den Stil hier wohl ein bißchen entschuldigen muss, hihi. Aber Humor muss ja wohl bleiben.
9. August Donnerstag
Alles wie gehabt, aber ab sofort allein auf dem Zimmer.
Nun hat die Temperaturmessung am Morgen ergeben, dass ich angeblich 37,9 C an Fieber habe. Alle Alarmglocken läuten, weil Infektionen nicht sein dürfen. Ich sage: Das kann ich mir nicht vorstellen, das würde ich merken.
Dennoch, man kontrolliert engmaschig. Nachmittags ist es aber rektal schon wieder im guten Bereich, denn sonst wäre die Entlassung am Samstag in Frage gestellt und darauf habe ich keine Lust!
Ich döse und dämmere vor mich hin, hab nix mehr richtiges zu lesen und keine Lust zum Fernsehen, dafür schlafe ich abends wie ein Murmeltier ein! Toll!
Und das Essen schmeckt nicht mehr. Liegt nicht an der Küche, denn eigentlich sind die Dinge ganz lecker zusammengestellt, aber die Medis machen alles kaputt .
Immer wieder Insulin wegen der hohen Werte.
10. August Freitag
Die letzten Kanülen werden angeschlossen, ich kann jetzt die Zeit schon absehen, wann es losgeht. Nur zu dumm, dass irgendjemand wieder nicht richtig den Perfusor einstellt, bzw. gar nicht anstellt.
Nach meinem Mittagsschlaf merke ich es, so dass das zweite Medikament fast 2 Stunden später zu laufen beginnt. Blöd, denn das heißt wieder 2 Stunden länger bleiben. Ich ärgere mich. Warum weist man die Leute nicht richtig ein??
11. August Samstag
Gut geschlafen! Heute geht es nach Hause, Gott sei Dank und auch die Fieberwerte sind wieder normal, war also nur ein Fehlalarm. Ich spüle immer fleissig meinen Mund, damit es zu keinen Schleimhautinfekten kommt. Alles im grünen Bereich.
Um 11h00 ist die erste Spritze leer. Wäre die andere auch angestellt worden, hätte ich nach dem Essen gegen 12.30 raus sein können.
So muss ich bis fast 14.30 warten und kann dann endlich mich verabschieden. Der Port wird mit Heparin geblockt, die Nadel gezogen, die zweite stationäre Chemosession ist beendet, nun heißt es wieder in die Cortisontablettenphase eintauchen mit den Standarduntersuchungen montags und donnerstags.
Irgendwie muss aber das mit dem Blutzucker noch geregelt werden. Ich muss ja wissen, wo ich mich befinde, wenn ich zu Hause bin.
Werde das wohl mal mit den Ärzten besprechen müssen.
Ich fahre zunächst einkaufen, freu mich auf meine Pizza, die ich herstelle und die dann, leider Gottes nach nix schmeckt, trotz aller leckeren Zutaten, trotz Sardellen und Salami, trotz Käse und Basilikum...nix schmeckt, alles fade...ich bin genervt. Wenn man sonst einen sehr feinen Geschmack hat und feinste Nuancen schmeckt, dann ist das schon schwerer Tobak.
Ich bin enttäuscht...abends mache ich noch Email, ordne die Post, schaue etwas fern und dann ab ins eigene Bett, ein gutes Gefühl.
Da habe ich sie also nun geschafft, die zweite Chemo. Anfang September dann wieder dasselbe Ritual, wenn alles so weit bleibt.
Die ersten Rechnungen aus Göttingen treffen ein. Als Selbstzahler sieht man da ja dann die Beträge: die ersten 1400 Euro sind für Laborwerte fällig...
In Zentralafrika kostet eine Operation 35 Euro...aber lassen wir das!
12. August Sonntag bis 19. August Sonntag
Ich fasse eine Woche zusammen. Wollte nach den Langsamkeitserfahrungen des letzten Überarbeitens dieser Homepage nicht wieder stundenlange sitzen und warten, bis das Modem die Daten übertragen hat und bin einfach genervt, weil ich nun seit fast 4 Wochen drauf warte, dass der technische Dienst der Telekom hier es wenigstens fertig bringt, den langsamsten aller DSL- Zugänge zu realisieren. Am Provider 1und1 liegt es nicht, sondern an den Leuten der Telekom…kein Wunder, dass die Aktienkurse sinken…
Nach dem Krankenhausaufenthalt kamen erst einmal ein paar Auf- und Ab Tage. Einerseits zeigten die Blutwerte, dass die Chemo wohl tatsächlich etwas bewirkt. Radikale Steigerungen bei den Leukozytenwerten einerseits, aber auch Knochenschmerzen im Rücken und Beckenbereich sind Zeichen einer ersten Wirkung. Man beobachtet sich natürlich auch viel stärker.
Auch Nebenwirkungen wie Neuropathien, also gefühlsverändernde Wahrnehmungen an den Gliedmaßen sind zu spüren. Kribbeln und Taubheit, aber alles in erträglichen Bereichen, eine gewisse Grundnervosität und halt eine sehr geringe Belastbarkeit.
Am Dienstag war dann nur noch Rumliegen angesagt. Keine Kraft mehr und abends möglichst früh ins Bett.
Am Mittwoch schien es etwas besser zu sein, gleichzeitig aber als Tag 7 wieder Beginn der 4 Tage Cortison und abends war ich dann zu leichtsinnig, freute mich auf einen Espresso, aber es war zu spät dafür.
Der Nachtschlaf war dahin.
Erst habe ich noch versucht, langsam den Schlaf zu finden, aber ich war so hellwach, dass ich nebenbei in Gedanken draußen im Pfarrgarten einen schönen kleinen Brotbackofen geplant habe, in allen möglichen Varianten, mit runder, viereckiger und anders geformter Backröhre, mit und ohne integrierter Nachfeuerung, mit und ohne Kaminzug, mit angeflanschtem Räucherabteil, mit Nebenbrennkammer, aus Lehm, Schamott, mit Eisentragegestell, damit auch wieder abbaubar. Diverse Grundbauten, aus Ytong, auf Stahlständern, beweglich, auf Anhänger, für Gemeindezwecke verwendbar, nur in kleiner Version….also Ihr seht, als absoluter Fan des selbst gebackenen Brotes etc. war ich gedanklich gut beschäftigt.
Das ging dann weiter in Gedanken, wie man die Gemeindearbeit, besonders das gottesdienstliche und gemeinschaftlich kirchliche Leben in unseren Orten hier gestalten kann, ohne in Überaktivismus zu verfallen und indem man Strukturen fördert, die sich selbst tragen, auch wenn in Zeiten des Pfarrstellenmangels mal nicht so viele Hauptamtliche da sind, oder wenn, wie ja jetzt durch Krankheit, eine Situation entstehen kann, in der die Gemeinden funktionieren müssen, ohne immer gleich auf hauptamtliche Mitarbeiterinnen zurückgreifen zu können. Da gibt es hier auch viele gute Traditionen und Ansätze, die weiter verfolgt werden müssen.
Die Planungen im schönen Pfarrgarten, der ja gerade in den Sommermonaten gut für Veranstaltungen verwendet werden kann, habe ich dann gleich angeschlossen. Vielleicht kann man ja so einen Sitzplatz gestalten, rund um eine Feuerstelle, der flexibel ausbaubar ist, also Bodenhülsen einbringen, in die man einfache Bankgestelle (die jeweils ab- und zubaubar sind) einbringen kann, und dann dort auch mal eine Andacht, Gottesdienst feiern, wenn es schön ist, ohne großen Aufwand.
Oder abends eine Lichterandacht mit Lagerfeuer nach einem gemeinsamen Essen aus dem Backofen?
Einfach kleine gesellschaftliche Ereignisse mit geistlichem Input, mal für Kinder, mal für Erwachsene, Gestaltungsmöglichkeiten für Kindergottesdienst oder andere Formen der Begegnung im Rahmen von Frauen- und Seniorenkreisen…
Sicher erst mal nur Gedanken, aber das ließe sich bei einer guten Planung mit einer kleinen Veranstaltungsgruppe doch sicher zu einer festen Einrichtung ausbauen.
Auch dazu sind schlaflose Chemonächte nach übermäßigem Espressogenuß gut, dass man sich nicht nur um die Krankheit dreht, sondern schauen kann, as ist zu tun, was könnte man machen, ohne dass der Aufwand für alle Beteiligten zu groß wird.
Glauben im Alltag verwirklichen, ganz „normal“, nicht als Sonderprogramm, sondern selbstverständlich und an bestimmten Punkten sichtbar und wahrnehmbar, einladend für andere, aber eben immer unter dem Hauptaspekt der Begegnung und der menschlichen Wahrnehmung.
Irgendwann war dann genug gedacht, der Schlaf kam nicht, dann bin ich halt um 4 Uhr aufgestanden und habe angefangen Brot und Brötchen für den nächsten Morgen zu backen. In den Wartezeiten ein bisschen surfen im Internet, bei ebay nach Materialien für den Backofen schauen, sich anregen lassen von Ideen dort.
Dann noch gespült, und alles zu ende gebacken und dann begann bereits früh am Morgen der Tag mit einem leckeren Frühstück mit selbst gebackenen Dingen. Nicht schlecht.
Morgens dann wieder nach Holzminden zur Blutabnahme, was lange dauerte, weil in der Praxis teilweise Leute im Urlaub sind und deshalb alles etwas langsamer geht.
Die Tage vergehen unter Cortison ganz gut, der verlorene Nachtschlaf kann abends dann bis zum nächsten Morgen gut nachgeholt werden und die Idee der Ärztin am Krankenhaus, die entgleisenden Blutzuckerwert bei Cortisoneinnahme während dieser Tage mit einer Tablette zu regulieren, war eine gute Idee, ich habe nicht mehr den Eindruck, dass die Werte zu stark nach oben gehen, obwohl das subjektiv ist.
Nur die Kurzatmigkeit und der manchmal geblähte Bauch, der größer scheint, obwohl ich mittlerweile etwas abgenommen habe (leider an den falschen Stellen), machen zu schaffen.
Am Freitag noch einmal ein Highlight. Freya und ich fahren zum Demeter-Laden nach Arholzen, eigentlich aus Neugier und um eine Pfandflasche abzugeben. Irgendwie hatte ich so im Hinterkopf, dass da wohl nicht viel los sein wird…aber weit gefehlt, eine richtige Perle liegt vor uns.
Der Ort der Begegnung dort, in den 30 Minuten, die wir dort waren, mindestens 20 Leute, die eingekauft haben. Es gibt alles, was man braucht, toll…wieder eine Entdeckung in der Gemeinde und sicher nicht der letzte Besuch dort. Eine super Möglichkeit für das Gespräch miteinander, gerade für weniger bewegliche Menschen. Der Einkaufsladen, wo man sich trifft!
Ich sehe ganz viele aus der Gemeinde, kurze Gespräche, es tut gut.
Und dann am Samstag Hochzeit in Heinade. Die Tochter von Ehepaar Siever (er ist im Kirchenvorstand) heiratet.
Die Kirche ist voll, die ehemalige Pastorin Frau Becker-Ubbelohde macht die Trauung, weil die Braut früher eine aktive Mitarbeiterin auch in der Kindergottesdienstarbeit war und die das schon vor Jahren abgemacht hatten.
Für alle Seiten ein sicher schönes Wiedersehen, mit Gang des Brautzuges durch den Ort, vielen Menschen an der Strasse, mit einer gut gefüllten Kirche, mit vielen jungen Leuten, Kinderwägen en masse, dem Heinader Kirchenchor und einer gut singenden Gemeinde.
Ich bin froh, dass die Kraft es zulässt, beim Gottesdienst mit dabei zu sein.
Merke zwar, dass das Singen der Lieder mich teilweise doch anstrengt, aber es ist schön, bei dieser Hochzeit dabei zu sein.
Und da für das Paar auch das Wetter gut mitspielt, war es sicher für alle Beteiligten ein guter Tag.
Danach ruhe ich mich aus, schaue fern, beantworte Emails und gehe etwas spät ins Bett, denn schließlich schaue ich mir noch den Boxkampf von Artur Abraham an…ja, auch kranke Pastoren schauen sich so was an.
20.August bis 1. September
Die Zeitspannen werden länger zwischen den Tagebucheinträgen.
Vielleicht, weil man sich an die Situation in gewisser Weise gewöhnt?
Oder weil nicht mehr alles neu ist? Oder weil jeder Tag sowieso immer „seine eigene Sorge hat?“
Ich bin immer noch krank geschrieben.
Vielleicht eine Banalität, dies zu sagen, aber ich finde das schon bemerkenswert, hatte ich doch gedacht, vielleicht nach den ersten beiden Zyklen der Chemo wieder so weit auf den Beinen zu sein, dass zumindest ein eingeschränkter Dienst wieder in die Nähe rückt.
Weit gefehlt und ich muss es mir immer wieder deutlich machen, dass die Medikamente, die ich bekomme, ja nicht ohne Nebenwirkungen und kein Spaziergang sind, sondern Zellgifte, die massiv in den Körper eingreifen.
„Was wollen Sie eigentlich“, sagte eine Ärztin neulich, „wir behandeln sie ja auch mit ziemlich starken Medikamenten“.
Recht hat sie und deshalb heißt es weiterhin Geduld, Geduld, Geduld, vor allem mit sich selbst und den eingeschränkten Möglichkeiten.
Mal ein kleines Beispiel vom 30.8.
Ich hatte zugesagt, im Frauenkreis ein wenig aus Afrika zu berichten, also eigentlich nichts sehr Anstrengendes, und es hat auch viel Spaß gemacht, aber danach war ich geplättet als hätte ich einen Marathonlauf hinter mir. Eine knappe Stunde reden und erzählen war das Äußerste der Gefühle und rächte sich in der Nacht mit 37.8 Temperatur…
Manches Mal dachte ich am Kaffeetisch: Da sitzt Du nun inmitten der Damen, von denen die meisten doch die 60 weit überschritten haben, und bist weniger leistungsfähig als so manche, die hier dabei ist. Das zu akzeptieren ist nicht einfach und vor allem, dann nicht darüber zu urteilen, ist umso schwerer.
Und dann sehe ich einen Ausschnitt aus dem sächsischen Landtag mit Vertretern der NPD, die allen Ernstes der Meinung sind, man müsse doch erst einmal für die Gesunden und Fitten da sein und nicht für Kranke und Behinderte.
Ein Verweis des Landtagspräsidiums, gut, aber dass solche Theorien möglich sind und dass sicher ein großer Teil von nicht betroffenen Menschen dem auch noch zustimmen würden, macht mich doch sehr, sehr nachdenklich.
Die letzten 2 Wochen waren ein Auf und Ab des Körpers.
Nebenwirkungen, Blutzuckerwerte, die sicher nicht im grünen Bereich waren, dafür aber Blutwerte, die eigentlich nicht schlecht sind und Hoffnung machen, dass es bald weiter geht, dann wieder das Erleben, dass ich mich hinlegen muss, mehrmals am Tag, um wieder für 1 bis 2 Stunden etwas machen zu können.
Gestern habe ich zum Beispiel ein Regal angebracht in der Küche. Vier Löcher bohren, Dübel rein, Schrauben, festziehen, hinsetzen, Pause machen, Schweiß abwischen.
Am 30.8. Arzttermin, nichts Weltbewegendes aber eben das Abfragen der Befindlichkeiten und die Planung der nächsten Chemo ab dem 3.9. im Krankenhaus.
Erstaunt, dass nun plötzlich die Kollegin des Onkologen von nur 3 Zyklen spricht, wobei ihr Kollegen noch von 4-6 gesprochen hatte. Da werden die beiden wohl noch einmal miteinander reden müssen.
Wenn es bei den drei bleibt, dann würde das bedeuten, dass es bald zur autologen Stammzellentransplantation nach Göttingen geht.
Mittlerweile liegt auch ein Ergebnis aus Göttingen vor, das man wohl vergessen hatte weiterzuschicken. Entgegen meiner Erwartung (eigentlich sollte darin eine Chromosomenanalyse wegen der Prognose stehen) „nur“ ein Befund, der entgegen dem Anfangsbefund vom Oktober letzten Jahres m.E. keine neue Erkenntnis bringt.
Alle kochen nur mit Wasser.
Also werde ich am Montag wieder nach Holzminden fahren, werde mich aufnehmen lassen, werde irgendein Zimmer auf der Station C1 zugewiesen bekommen und hoffen, dass niemand darin schnarcht…(s.o).
Und wenn alles gut geht, darf ich am Samstag wieder nach Hause und werde nichts schmecken, in den Fingern leichtes Taubheitsgefühl haben, der Blutzucker wird verrückt spielen und ich werde fertig sein und zu nix Lust haben…ist es nicht gut, dass man vorher schon weiß, wie es sein wird?
Schön sind viele Rückmeldungen auf diese Homepage, auch teilweise Mailaustausch mit anderen Betroffenen, die Mut machen, einander den Rücken zu stärken und nicht zu glauben, dass „nur weil man krank ist“ das Leben kein Leben sei.
„Hauptsache gesund!“ - der heidnischste Satz, den ich kenne.
Nee, Hauptsache jeden Moment hoffnungsvoll leben - vielleicht sogar, wenn es nicht gut geht!
Tagebuch 3.9. bis 12.9.2007 - 3. Chemozyklus
Eigentlich hatte ich ja fest damit gerechnet, am Samstag, den 8.9., wieder in Heinade zu sein, aber dann ging alles anders und hat erneut gezeigt, dass die Dinge unberechenbar sind und man halt wirklich nicht planen kann.
Aber eins nach dem anderen.
Ich rückte also am Montag, dem 3.9. wieder ins bekannte Krankenhaus Holzminden ein, das durch ganz viele Aufnahmen neuer Patienten im Stress war, so dass ich erst recht spät und nach langer Wartezeit auf mein Zimmer kam, aber wenn man eh nichts anderes vor hat, ist es ja egal, ob man nun hier noch zwei Stunden wartet oder auf dem Zimmer.
Ich wundere mich immer wieder, wie viel Ungeduld und Unbarmherzigkeit bei manchen Patienten da ist, die sich richtig mit dem Personal streiten, nur um dann halt an anderer Stelle auch zu warten.
Ich-Ich-Ich - so kann man diese Haltung ja vielleicht umschreiben.
Unverständlich vor allem, weil es keinerlei Vorzug bringt.
Na ja…also ich kam auf ein Zimmer mit einem ca. 80jährigen Schlaganfallpatienten, der noch recht wirr war und alle, einschließlich meine Wenigkeit, sehr beschäftigte.
Er hat ungefähr 30 Mal pro Tag nach seinem schnurlosen Telefon gefragt und war kaum zu beruhigen. Abends und nachts lief er zu Hochform auf, abgesehen von Atembeschwerden und Schnarchen redete er halt einfach laut drauf los, was nicht gerade zu meiner Beruhigung geführt hat.
Als dann am Dienstag die Medikamente wieder angeschlossen waren und also das „Gift“ mit all seinen Belastungen in mich hineinfloss (klingt gut, gelle?), wurde es mir dann doch langsam zu viel und ich war sehr, sehr dankbar als eine Schwester am Mittwoch den Vorschlag machte, mich in ein anderes Zimmer zu verlegen, in dem ich dann mit einem 73jährigen, sehr netten Mann aus Bevern zusammenkam.
Wir haben uns gut verstanden und auch gegenseitig nicht beim Schlafen etc gestört, sondern kamen miteinander klar.
Mittags bekam er dann immer Besuch von seiner Frau, die meist 2-3 Stunden blieb und dann war es auch für alle Seiten gut, dass sie wieder ging. Das sage nicht nur ich, sondern er auch…sie hatte, sagen wir es einmal vorsichtig, ein ausgeprägtes Mitteilungsbedürfnis.
Während der Tage spielten wir beide das Spiel: „Warten auf den Onkologen“. Nachdem dann am Donnerstag klar war, dass der Onkologe auch krank geworden war (auch Ärzte werden krank!), wurde das Ganze recht eigenartig, denn es passierte nichts.
Vor allem für den Bettnachbarn tat es mir leid, weil er nach einer Krebs-Op noch vollkommen im Ungewissen über den Fortgang war und deshalb gerne einmal einen Arzt gesehen hätte. Aber nichts zu machen. Erst am Montag war dann das Gespräch mit einer Ärztin für ihn so richtig möglich. Ich hoffe, dass er bald bessere Perspektiven bekommt.
Bei mir gingen dann wieder wegen des Cortisons die Zuckerwerte auf Reise. Von 90 bis 290 (wer sich mit Diabetes ein wenig auskennt, weiß, was das heißt) schwankte alles hin und her und das Rumliegen förderte auch nicht gerade eine Normalisierung. Deshalb musste ich Insulin bekommen.
Am Freitag bekam ich dann eine Beratung und die Aussicht, Messgerät und Insulinspritze für die Fortsetzung der Therapie zu Hause mitzunehmen, was ich sehr gut finde, denn das letzte Mal war es doch sehr stark spürbar, dass da die Werte so verrückt spielten, dass ich nicht in der Lage war, dies irgendwie zu beeinflussen oder zumindest einzuschätzen.
Also lernte ich mich zu messen und zu spritzen.
Und ich musste übers Wochenende bleiben. Mann, ich hab noch nie so viel umsonst herumgelegen und gedöst und nichts gemacht wie in diesen Tagen. Es war Sparbesetzung beim Personal, das Essen schmeckte wegen der Chemo nicht mehr, und selbst die beiden Fußballspiele am Samstag waren ja eher eine Gähnvorstellung, als dass sie einen Begeisterungssturm hervorgerufen hätten.
Montag bekam ich dann noch ein eigenes Messgerät und durfte nachmittags gegen 17 Uhr nach Hause. Das war ein Fest!
Die Kräfte auf fast Null durchs Rumliegen, an den Beinen Muskelabbau weil man ja nicht rum läuft oder sonst trainiert im Krankenhaus, und die Zuckerwerte frei flottierend…
Die gute Nachricht, dieses war der letzte Vor-Zyklus in Holzminden, es soll nun doch schneller als gedacht auf die Stammzellengewinnung und Hochdosischemo in Göttingen zugehen.
Das ist schon einmal ein Lichtblick, zumal die Werte sich etwas verbessert haben und auch bei den Werten, die Nebenwirkungen machen, nur wenige außerhalb der Normwerte liegen. Man betrachtet das dann immer schon als einen Teilerfolg im Kampf.
Viel schwieriger ist es, mit der fehlenden Kraft umzugehen, selbst zu Hause. Ich überlege mir drei Mal, wenn ich die Treppe runtergehe, denn ich muss ja auch wieder rauf. Schweißausbruch ist an der Tagesordnung und auch das muss ich erst einordnen ob es von Zuckerwerten oder einfach von Schlappheit und Nicht-Belastbarkeit kommt.
Am Dienstag (11.9.) abends plötzlich Fieber…eigentlich muss ich dann sofort zum Arzt, aber nachdem ich mich ins Bett gelegt hatte und ein Paracetamol geschluckt hatte, ging es wieder besser, ich entscheide, dass ich morgens sehen werde, ob das Fieber anhält.
Morgens ist dann die Temperatur wieder normal, also wahrscheinlich nur irgendeine Reaktion auf Anstrengung oder Sonstiges.
„Lass Dir an meiner Gnade genügen,
denn meine Kraft ist im Schwachen mächtig.“
- dieser Satz, aus dem 2.Korintherbrief wird mir im Moment immer wichtiger. Er war es immer schon, aber ich verstehe ihn jetzt körperlich auch.
Paulus hatte ja auch diverse körperliche Leiden und wäre sie gerne losgeworden, aber das lief nicht…es sagt sich so leicht.
Lass dir an meiner Gnade genügen…
Ich muss auch das lernen und es fällt umso schwerer, als man ja eigentlich in einem Umfeld lebt, in dem die Aktivität zählt und nicht das „sich genügen lassen“.
Was mich viel mehr nervt, sind all die immer noch unausgepackten Umzugskartons, deren Inhalt ich eigentlich gar nicht brauche.
Habe insgeheim schon manches Mal gedacht, wie schön das in Afrika war.
Wenn Du etwas nicht mehr gebraucht hast, hast Du es rausgestellt und dann konnte es jemand brauchen.
Oder man hat ein großes Loch gemacht und hinein damit mit dem Kram.
Manchmal wünsch ich mir so ein Loch, in das ich den Rest hineinwerfen kann.
Heute, am 12.9. geht es nun wieder mit der Cortisonphase los. Dann gehen zwar einige Beschwerden wieder weg, aber die Zuckerüberwachung muss besser sein.
4 Tage lang werde ich Cortison nehmen, dann noch zwei Tage warten bis die Zuckerwerte wieder einigermaßen normal sind.
„Wenn Sie dann etwas abnehmen…“- Originalzitat einer Ärztin.
Ja, das weiß ich auch, dass ich Übergewicht habe und dass das mit den Zuckerwerten schlecht vereinbar ist, aber ich pass ja jetzt schon sehr auf und habe einiges umgestellt, aber durch die Medikamente bleibt das Gewicht oben und die fehlende Bewegung tut das Ihrige dazu. Bin gespannt, ob ich da noch einmal auf einen grünen Zweig komme.
Zumindest heißt es jetzt Müsli, Gemüse, Milchprodukte, Vollwert halt…
20.09.2007 Ambulante Vorstellung in Göttingen, weitere Planung
Auch wenn die letzten Tage nicht im Besonderen hier auftauchen, hat sich doch alles auf den heutigen Termin in Göttingen konzentriert, da es nach den 3 Zyklen Chemo in Holzminden zur Vorbereitung doch nun erstaunlicherweise schneller als zunächst gedacht, auf die eigentliche Chemo mit Stammzellentransplantation n der Uniklinik Göttingen zugehen soll.
Diese nicht ganz risikofreie aber verheißungsvolle Therapie kann zwar auch das Myelom nicht heilen, aber zurückdrängen und dann ja, wenn es gut geht, vieles wieder möglich machen.
So bin ich also heute mit dem Zug (Dank der Verkürzung der Wartezeit in Kreiensen mit dem neuen Fahrplan ist das wirklich eine gute Verbindung jetzt) nach Göttingen gefahren und habe ausführlich mit dem Arzt das weitere Vorgehen besprochen. Auch in diesen Gesprächen zeigt sich immer wieder, wie wichtig es ist, als Patient informiert zu sein und dadurch dann auch Entscheidungen verstehen zu können.
So wie es aussieht, werde ich dann am 9.Oktober 2007 stationär in einer der beiden spezialisierten Stationen in Göttingen aufgenommen und zunächst für die Stammzellensammlung chemotherapiert.
Dabei wird die Ausschwemmung von körpereigenen Stammzellen ins Blut provoziert, die dann ab einem bestimmten Zeitpunkt in einer Art Blutwäsche aus dem Blut herausgefiltert werden und bei -200 Grad in flüssigem Stickstoff eingefroren werden.
Es wird versucht, gleich so viele Zellen zu gewinnen, dass eine zweimalige Rückgabe später möglich ist. Sollte dies bei einer einmaligen "Ernte" nicht möglich sein, wird es mehrmals versucht. Ziel ist es, diese Stammzellen nach Zerstörung des blutbildenden Systems wieder zurückzugeben, um dem Körper den neuerlichen Aufbau des blutbildenden Systems zu ermöglichen. Dadurch wird der Myelomtumor zurückgedrängt.
Ich hoffe also mal, dass ich nach dieser "Ernte" ein ganz persönliches "Erntedankfest" feiern kann.
Hatte ich zunächst gedacht, dass dann gleich anschließend die Hochdosischemo angeschlossen wird, mit "Isolationshaft" wegen der möglichen Infektionen, wurde mir heute erklärt, dass man dies so in Göttingen nicht macht, da die Stammzellen erst untersucht werden müssen und dann erst nach einer Erholungspause des Körpers der zweite Teil der Behandlung, wohl 2 Wochen später, durchgeführt wird.
Auch gut! Wichtig ist nur, dass es jetzt zügig weitergeht (Zitat: "Man muss das Eisen schmieden solange es heiß ist!"), da die entsprechenden Eiweiß-Werte sich durch die drei Zyklen doch verbessert haben und ich anscheinend auf die Therapie anspreche.
Also, dann wollen wir mal schmieden!
Das mit den "Schwertern zu Pflugscharen" kenn' ich ja aus Bibel und vom Kirchentag! - kleiner Scherz am Rande!
Besuch scheint in Göttingen möglich zu sein, allerdings nur für Leute, die frei sind von aktuellen Infektionskrankheiten, vor allem kein Herpes oder Kinderkrankheiten im nahen Umfeld.
So weit für heute!
21.9. bis 27.9.2007
Ohne ins Detail gehen zu wollen, waren es wieder Tage, die langsam "normal" werden, mit Cortison und Blutzuckerentgleisungen, Insulinspritzen, körperlicher Abgeschlagenheit, der Unzufriedenheit, nichts aber auch nichts zu "schaffen" und dennoch zu merken, dass das halt so ist bei einer Chemo.
Schlimm der 25. und 26.9. Ich liege nachmittags stundenlang nur und schlafe und gehe abends dennoch schon vor 9 Uhr ins Bett. Kein Antrieb, keine Lust irgendetwas Produktives zu denken oder zu machen, ein wenig Computer, Internet, das eine oder andere Telefongespräch. Ich bin froh, wenn ich es schaffe, etwas zu essen zu kochen. Lange stehen kann ich nicht, das Trimmfahrrad hilft zwar, aber es ist halt auch anstrengend.
Eine schlimme Stimmung...
Heute am 27.9. sieht es anders aus, die Blutzuckerwerte haben sich normalisiert. Der Tag fängt ganz anders an. Ich habe heute Arzttermin beim Onkologen in Holzminden.
ER ist zufrieden, die Werte sind im normaleren Bereich, die Chemos haben etwas bewirkt. Auf mein Nachfragen zeigt er sich sehr zufrieden, wünscht mir alles Gute für die Stammzellenaktion in Göttingen.
Endlich bin ich die zweimalige Blutentnahme in Holzminden jede Woche los. Der nächste Termin erst nach Göttingen.
Ich kann nun auch das prophylaktisch eingenommene Antibiotikum absetzen, die Anzahl der Tabletten reduziert sich auf 2 pro Tag, das ist verkraftbar. Der Körper kann beginnen, sich zumindest ein bisschen zu regenerieren. ER hat es bitter nötig.
NUn freue ich mich darauf, die nächsten beiden Wochen vielleicht wieder etwas bsser drauf zu sein. Ich werde für einige Tage uh zu meinem Bruder fahren, einfach mal raus, was anderes sehen, sich in den Zug setzen und durch Deutschland fahren, in bekannte Umgebung und dann hoffentlich mit neuem MUt an die Stammzellenentnahme.
Vorher Erntedankfest - hoffentlich regnet es nicht zu sehr damit die vielen Vorbereitungen nicht umsonst sind.
Dankbarkeit gehört zum Leben dazu, unbedingt. Dankbarkeit für jede kleine Möglichkeit des Lebens...das weiß ich langsam zu schätzen.
30.9 2007 - Erntedankfest
Schon wieder ein neuer Monat.
Die Zeit vergeht schnell, ohne, dass gefühlsmäßig viel passiert.
Gut, die Ergebnisse der 3 Chemos sind mutmachend.
Die Werte bewegen sich wieder in Bereichen, die fast normal sind.
Am heutigen Erntedankfest mache ich erst einen Spaziergang - einmal zum Heinader Dorfende und zurück und dann sofort aufs Sofa, ausruhen. Das ist phänomenal, wie wenig ich abkann. Hoffentlich wird das wieder besser.
Um 14 Uhr dann zur Kirche nach Deensen - Erntedankgottesdienst, mit Kindergottesdienstbeteiligung und Vorstellung der neuen Konfirmanden. Die Kirche ist gut gefüllt, schön zu sehen.
Danach noch Kaffee und Kuchen, Würstchen werden gegrillt, für die Kinder gibt es sogar eine kleine Hüpfburg, toll. Ich genieße es, dort zu sein, aber nach ca. 1 Stunde ist dann auch die Luft raus und ich muss nach Hause. Das Stehen fordert seinen Tribut. Gut, ich hätte mich auch setzen können, aber dann redet man nur mit denselben Menschen.
Zu Hause angekommen, ruft die Kollegin aus Neuhaus an und kommt kurze Zeit später zum Klönen vorbei.
Wir reden über die Gemeindestruktur dort, schließlich hatte ich mich da ja auch mal beworben.
Sie hat viel zu tun, viele außergewöhnliche Gottesdienste gleich am Anfang, Altersheime, Kinderheim, ein Gemeindeteil noch in Holzminden...ich beneide sie nicht.
Wir reden über den Pilgerweg, der in den nächsten Jahren mit ein Hauptaugenmerk ihrer Arbeit sein soll.
Ich finde ihre Idee gut, etwas auch für Menschen anzubieten, die nicht mehr gut zu Fuß sind und eben gerade keine lange Strecken pilgern können...darin finde ich mich sehr gut wieder.
Kirche für andere, wie Bonhoeffer das genannt hat...da, wo sie Rücksicht nimmt und nicht "gnadenlos" aktiv wird nur für die, die sowieso genug Kraft haben.
Das hatte Jesus ja auch schon richtig erkannt: "Die Gesunden brauchen den Arzt nicht!" -- wohl wahr!
Also Kirche für die Kranken?? Klingt nicht so gut und einladend, was? Und entspricht doch viel mehr der menschlichen Realität als alles andere.
1.10 - 3.10.2007
Ich merke in diesen Tagen, dass das "Freisein" von Medikamenten mir gut tut. Ich brauche außer zwei kleinen Tabletten nichts mehr nehmen und der Körper dankt es. Ich fühle mich wirklich besser.
Und ich freu mich auf eine Zugfahrt in die alte Heimat, nach Eberbach. Bevor die stationäre Zeit in Göttingen kommt, werde ich am 4.0. für ein paar Tage zu meinem Bruder fahren. Auch meine Schwester kommt aus München. Wir wollen im renovierten Elternhaus einräumen...mein Teil ist die Organisation, schleppen kann ich nix, das hab ich gleich gesagt.
Also fahre ich am 4.10. mit dem Zug (ein direkter IC von Kreiensen nach Heidelberg kommt mir da sehr entgegen und die Lokführer streiken erst ab Freitag, auch das ist gut!) nach Eberbach und komme am 8.10. wieder. Tja, und am 9.10. geht es dann Richtung Göttingen zur Stammzellen"ernte". Unter AKTUELL LESEN habe ich einen Link eingerichtet für alle, die mehr über diese periphere Stammzellenapherese wissen möchten. Einfach anklicken dort!
09.10.2007 bis 26.10.2007 -
Uniklinikum Göttingen
Von 1960 bis 2007 war ich nie länger als ein paar ambulante Stunden im Krankenhaus.
Seit der Erkrankung mit dem Multiplen Myelom habe ich es nun geschafft, über die Zuzahlungsdauer von 28 Tagen hinaus, Krankenzimmer im Krankenhaus von innen zu sehen…ein trauriger aber immerhin ein Rekord!
Wahrscheinlich muss ich diesen Rekord dann im Dezember um weitere Wochen steigern…aber beginnen wir langsam von vorn.
Nach ein paar Tagen im schönen Neckartal bei meinem Bruder, fuhr ich mit Bahn und Bus nach Göttingen, wohl wissend, dass es wohl die letzte Fahrt mit einem öffentlichen Verkehrsmittel für die nächste Zeit gewesen sein dürfte.
Dann, wenn die Blutwerte und Abwehrkräfte in den Keller gegangen sind, heißt es ja: „meiden Sie große Menschenansammlungen und Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln“ - insofern können mir Streiks von Lokführern in der nächsten Zeit keine Angst einjagen…
Ich kam in mein Zimmer auf Station 30.23, der Krebsstation des Uniklinikums Göttingen.
Mein erster Zimmernachbar saß aber schon auf gepackten Koffern und wartete mehr oder weniger auf seine Entlassung.
Eine junge Ärztin im praktischen Jahr machte die Aufnahmeuntersuchung und ich erzählte mal wieder alle meine Krankengeschichten, von denen ich manchmal wirklich bald nicht mehr weiß, was wann war, weil ich es schon so oft erzählen musste.
„Dichtung und Wahrheit“ halten sich hierbei die Waage, wenngleich natürlich die Inhalte stimmen, nur die zeitliche Einordnung fällt mir immer schwerer, sei es aus Gründen des Alters (denn komischerweise wird die Entfernung zum Ereignis ja immer größer) oder aber aus Gründen des sogenannten und unter Krebskranken allgemein anerkannten „Chemohirns“…egal, die Ärztin war sehr nett und machte das sehr kompetent. Sie heißt so wie ein bekannter TV-Talkmaster, nur mit „l“ zwischen dem „B“ und dem „e“.
Am nächsten Tag bekam ich dann meinen neuen Bettnachbarn.
Wir blieben fast zwei Wochen zusammen, aber darüber später mehr.
Insgesamt waren dem Pflegeteam und den Ärzten eine große Kompetenz und viel Einfühlungsvermögen abzuspüren, die gut taten.
Man merkte, dass sie sich der besonderen Situation auf einer Krebsstation sehr bewusst waren.
Ich bewunderte Art und Weise, wie die Ärzte/innen den Patienten auch schwere Diagnosen verständlich machten, ohne etwas zu verheimlichen aber auch ohne den Mut zu nehmen, sondern immer wieder darauf bedacht, den Patienten mit hineinzunehmen in die Hoffnung auf Behandlung.
Was mir vor dem Krankenhausaufenthalt nicht so klar war, war die Tatsache, dass zur Mobilisation der Stammzellen eine umfangreiche, also vierte Chemo (mit wieder neuen Substanzen) notwendig war, die über drei Tage ging.
Nach den üblichen Voruntersuchungen, stets begleitet von der täglichen Blutuntersuchung, wurde ich am 12.10. bis zum 15.10. an die Infusionsapparate angeschlossen und konnte mich also nur noch mit einem ganzen Weihnachtsbaum von Infusionsbeuteln und piependen Infusionskontrollgeräten zur Toilette und anderswohin bewegen.
Außerdem war das Verlassen des Stationsflures verboten wegen der höher werdenden Infektionsgefahr---eine klassische Gefängnissituation nur ohne Gitter vor den Fenstern.
Nicht nur die Blutentnahmen zählten zu den Highlights der Tage, auch die mindestens dreimal täglich vorzunehmenden Mundspülungen gegen evtl. Schleimhautentzündungen, sind ein Hit.
Wieder schwor die Uniklinik Göttingen auf andere Medikamente als das KKH in Holzminden. Gekrönt wurde das Trio der Medikamente aber von einem Antipilzmittel, das die Farbe eines aus Südchina importierten Beißringes für Kleinkinder, nämlich leuchtend Orange, hatte und ansatzweise nach Passionsfrucht schmecken sollte, was sich aber beim zweiten Hinschmecken schnell wieder als Eindruck zerstreute und einem merkwürdig ekelerregenden Nachgeschmack Platz machte.
Wenn ich Brechreiz während der Chemo verspürte war es immer nach den Spülungen, nicht nach der Chemo selber.
Das Essen war abwechslungsreich, aber da ich am Anfang angegeben hatte, dass ich keine rohen Karotten essen kann (die Schwester hatte aber einfach „ohne Karotten“ vermerkt), bekam ich fürderhin überhaupt keine Karotten mehr, auch keine gekochten, was das Farbspektrum des Essens eindeutig in den Bereich grün bis weiß verschob.
Das Optimum dieser farblichen Einfalt wurde dann am ersten Sonntag, dem 15.10. (ein denkwürdiger Tag für einen Ex-Koch wie mich) erreicht.
Weißer Reis, mit weißem Putenfleisch, lackweißer, geschmackloser Soße und weißem Spargelgemüse - ein Traum in Weiß…ich verstand auf einmal, warum man sagt: „Das Auge isst mit“…
„Keimreduzierte Kost“ nennt sich das.
Keimreduziert, weil bestimmte Nahrungsmittel zurecht während der infektionsgefährdeten Phasen der Chemos verboten sind, um nicht zusätzliche Komplikationen hervorzurufen.
Zweiter Ernährungsschwerpunkt war dann die Rundumversorgung mit Geflügelfleischprodukten.
Ich glaube, ich habe in der gesamten Zeit drei Mal eine andere Sorte Fleisch mittags gegessen.
Mein Zimmerkollege und ich haben bereits gesagt, dass wir nach Rückkehr ins eigene Heim selber Eier legen können.
Oder die Klinik hatte einen Exklusivvertrag mit einem Geflügelhändler…wer weiß?
Aber klagen kann man über das Essen nicht, es war wirklich im Rahmen der Möglichkeiten von sehr guter Qualität. Immer hat es natürlich nicht geschmeckt, denn manchmal war einem einfach die Lust aus Essen vergangen durch die Chemo.
Ich muss aber zugeben, dass die Frikadellen, die der Besuch meines Zimmernachbarn mitgebracht hatte, zusammen mit der eingeschmuggelten Tube Senf, den trüben Alltag doch sehr aufgehellt haben (DANKE noch mal!)
Nach den drei Tagen der Chemo konnte ich nur noch dösen.
Alles andere, auch das Lesen, war nicht mehr angesagt, hatte ich doch vorher bereits 2 Romane verschlungen, denn Zeit gibt es ja genug, in der nichts passiert.
Eines der Chemotherapeutika war denn auch so aggressiv, dass umfangreiche Gegenmaßnahmen nötig waren, um Blase und Nieren zu schützen. Effekt der vielen, literweisen Infusionen war auch eine Gewichtszunahme um 4 Kilo in noch nicht einmal zwei Tagen-alles eingelagertes Wasser, das dann wieder mit anderen Mitteln und -zig Toilettengängen entfernt wurde.
Danach hieß es abwarten und jeden Abend eine Spritze entgegenzunehmen, die pro Injektion meines Wissens um die 500 Euro kostet.
Diese Spritze sollte die durch die Chemo abgefallenen Leukozytenwerte wieder in die Höhe bringen und gleichzeitig die Stammzellen aus dem Knochenmark animieren, doch bitte ins Blut zu kommen.
Erst passierte gar nicht viel, so dass weitere zwei Romane gelesen werden konnten, dann bekam ich plötzlich heftige, wellenartige Rückschmerzen im Beckenbereich, ein untrügliches Anzeichen erhöhter Aktivität, die Gott sei Dank dann mit schlichtem Paracetamol zu kontrollieren waren.
In diesen Tagen, also an Tag 6 bis 9 nach der Chemo fielen meine Leukozytenwerte so stark, dass sie unter den Wert von 1000 fielen (der Normalbereich beginnt irgendwo bei 4000).
Unser Zimmer wurde zum Isolationsraum, Besucher mussten Schutzkleidung anziehen, ich selber durfte nur noch mit Mundschutz auf den Flur.
Im Gefängnis nennt man das haftverschärfung
Am Dienstag, den 23.10. stellte sich dann noch heraus, dass mein Mitpatient den gefürchteten Krankenhauskeim MRSA hatte.
Ich wurde sofort verlegt, Abstriche wurden gemacht, die aber Gott sei Dank negativ ausfielen.
Absolut überraschend für mich war dann der rasante Anstieg der Leukozytenwerte in drei Tagen: 890 - 2900 -- 10000, ein Zeichen für die mögliche Stammzellenentnahme.
Man muss dazu die Stammzellen an Hand von sogenannten CD34 Markern nachweisen und dann schnell reagieren. Verpasst man den Zeitpunkt, muss alles von vorn angefangen werden.
Am Mittwoch, den 24.10. war es so weit. Nach einer intensiven Erklärung aller Risiken und des Ablaufs durch den zuständigen Arzt am Tag zuvor, kam ich um 8.30 in den Bereich der Transplantationsmedizin (Zellseparation). Ein Team von zwei Ärzten/Innen und zwei Krankenpflegern/innen kümmerte sich um mich.
Wie geht das Ganze?
Man liegt im eigenen Bett. An jedem Arm wird ein möglichst gut fließender Zugang gelegt (Ab- und Zufluss), manchmal auch am Hals (was bei mir aber vermieden werden konnte).
Dann wird das Blut mit einer Geschwindigkeit von 100ml pro Minute herausgepumpt, in eine Maschine gespeist. Dort wird es mit ca. 1000 Umdrehungen zentrifugiert. Das Blut wird dadurch in drei unterschiedliche Schichten aufgeteilt, deren mittlere die Leukozyten mit den Stammzellen ist. Aus dieser Schicht wird nun mittels eines justierbaren „Rüssels“ (entschuldigt bitte meine nichtmedizinische Ausdrucksweise) abgesaugt. In einem 5stündigen Prozess kommen so 300ml zusammen, genug für drei Beutel, für zwei Hochdosischemos und ein Ersatz.
Anschließend fließt das Blut in den Köper zurück.
Damit das Blut außerhalb des Körpers nicht gerinnt, wird im Zitrat zugesetzt, was wiederum Calcium entzieht.
Der Körper meldet dies mit kribbelndem Gefühl im Gesicht und an den Extremitäten. Dann wurde wieder Calcium und Magnesium zugesetzt. Alles muss aufeinander abgestimmt sein, aber die Ärzte und Pfleger managten das hervorragend.
Manchmal muss man zwei oder dreimal sammeln, um genügend Stammzellen zu haben.
Ich hatte, Gott sei Dank, nach diesem ersten Mal bereits genug gesammelt und durfte wieder aufs Zimmer.
Ich war zwar müde und die Blutwerte waren auch sehr niedrig, aber doch erheblich weniger angestrengt als ich vermutet hatte.
Die gesammelten Stammzellen werden nun gesichtet, geprüft und dann bei minus 196 Grad in flüssigem Stickstoff mit einem Gefrierschutzmittel eingefroren, so dass man sie später nach der Hochdosischemo wieder zurückgeben kann und so einer neuerlichen, eigenen Blutbildung nichts im Wege steht ---Wunder der ärztlichen Kunst.
Ich muss schon sagen, dass eine gewisse Ehrfurcht vor dieser ganzen Technik mich befällt. Jedenfalls schließe ich auch Ärzte und Apparate stets in mein Gebet ein, denn durch sie hindurch erfahre ich ja Hilfe und Unterstützung.
Am Freitag sollte eigentlich noch ein Zahn gezogen werden, der evtl. später Probleme machen könnte, aber als die Zahnärztin meinen weißen Teint (lag wohl an den niedrigen Blutwerten und nicht am weißen Essen) sah, hat sie sich entschlossen, diesen Termin auf Montag den 29.10. zu legen. Ich denke, eine weise Entscheidung.
So bin ich nun wieder zu Hause und kann mich dieses Wochenende im eigenen Bett und in eigenen Räumen erholen und dankbar sein und „Stammzellenerntedankfest“ feiern. In ca. vier Wochen muss ich dann zur eigentlichen und gefährlichen Hochdosischemo wieder antreten und hoffe, dass der Tumor dann so einen auf den Deckel bekommt, dass er mich erst einmal in Ruhe lässt.
Stundenlang könnte ich Euch noch Geschichten erzählen, aber da Eure Zeit ja auch begrenzt ist, belasse ich es dabei. Danke an alle, die an mich gedacht haben und weiter an mich denken.
29.10.2007
Mut zur dritten Lücke
Heute Morgen bin ich dann wieder nach Göttingen gefahren, um den "gefährlichen Backenzahn" entfernen zu lassen. Genauer gesagt habe ich mich vom Krankentaxi fahren lassen, weil ich selber ja nach einer evtl. Betäubung schlecht fahren kann und außerdem auch kreislaufmäßig noch nicht so weit bin.
Gegen 12 Uhr war es dann so weit, mein schön golden überkronter Backenzahn (46 für die Spezialisten unter Euch), musste es sich gefallen lassen, das Zeitliche zu segnen. Da er aber noch sehr fest sass und wohl auch mehr Wurzeln hatte als zuerst gedacht, kam die Zahnärztin um das Zertrennen nicht herum.
Alles in allem dauerte die Extraktion ca. 1 Stunde, wobei die Ärztin ganz vorsichtig vorging, um den Blutverlust gering zu halten. Dann noch mit drei Fäden nähen und schon ging es wieder Richtung Heimat.
Alles unter antibiotischer Medikation, damit keine Infektionen sich breit machen.
Abends, als die Betäubung so richtig abgeklungen war, gingen dann die Schmerzen los. Ohne Schmerzmittel nicht zu ertragen, aber das wusste ich ja vorher, außerdem hinterlässt so ein Backenzahn halt eine Art Trennungsschmerz, damit man ihn nicht so schnell vergisst.
Ab sofort war ich dann ein "Linkskauer" - allerdings auch mit nicht all zuviel Erfolg, da links ja die beiden ersten Lücken vom Juni sind. Muss ich mich jetzt bald in die Fraktion der Püree-Menschen einreihen? Nun, wir werden sehen.
30.10. - 3.11.
Ich fasse diese Tage zusammen, weil sie geprägt waren von den immer noch aktiven Zahnschmerzen. Erst am Samstag war es so weit, dass ich beschwerdefrei war und ab dann ging es auch besser. Vorher immer wieder Schlafphasen, Ausruhen, Paracetamol zur Linderung und keine rechte Lust zu irgendetwas.
Am Dienstag schließlich ein denkwürdiger Tag. Ich lasse meine Haare abschneiden, denn mittlerweile sieht mein Kopfkissen morgens so aus als hätte ein Bernhardiner darauf nachts seine Haare verloren. Sie gehen büschelweise aus. Dann doch lieber eine schicke "Stoppelhaarfrisur".
Um das Ganze ein wenig humorvoller zu gestalten, habe ich dem Friseur gesagt, er möge die Haare doch "stufig" schneiden.
Einen Moment lang schaute ich in ein fragendes Gesicht, dann ein breites Lachen.
Ich könnte mühelos jetzt in der ersten Aufnahmeprüfung für die Fremdenlegion bestehen, allerdings nur in der ersten.
Es ist um den Kopf herum nun sehr kühl, aber eine Baumwollmütze schützt vorerst vor dem kältesten Wind. Später werde ich wohl in etwas wärmere Mützen investieren müssen.
Hier ein Schnappschuss vom 6.11.2007.
Kurze Haare und der berühmte "Stiernacken" nach Cortison! Ach ja, und der Bart ist ab!
2.11.2007
Am Freitag Besuch vom Superintendenten, wir hatten uns lange nicht ausführlich unterhalten und ich fand es schön, dass er sich aufgemacht hat. Manchmal ist der Tag doch lang, wenn nichts weiter passiert und keiner kommt oder anruft. Und ich selber habe auch nicht immer den Antrieb los zu gehen, zumal ja immer die Frage der Infektionen eine Rolle spielt und man in der momentanen Zeit nicht weiß, wer erkältet ist etc pp.
Am Samstag dann kündigen sich zwei Hermannsburger für Sonntag an, weil im Kirchenkreis Missionssonntag ist.
Mit beiden habe ich eine ganze Zeit lang studiert und deshalb freue ich mich auf die Begegnung, wenn es auch teilweise nur sehr kurze Begegnungen sind.
4.11. Sonntag
Gegen 8.45 kommen Hermann D. und ein südafrikanischer Pastor, der in Deutschland groß geworden ist, weil sein Vater als Austauschpastor hier tätig war. Wir frühstücken schnell etwas zusammen und um 9.30 hält Hermann Gottesdienst. Seit längerem kann ich wieder einmal mitmachen, merke aber, das nach jeder zweiten Liedstrophe eines Liedes mein Kreislauf sich in Erinnerung bringt. Gut, dass andere auch singen, hihi.
Nach dem Gottesdienst muss Hermann schnell weiter, weil er noch einen zweiten im Nachbardorf leitet.
Ich gehe nach Hause und empfange gegen 11h45 Kicco S., der in zwei weiteren Gemeinden Gottesdienste gehalten hat.
Wir essen zusammen und unterhalten uns bis gegen 14.30h ehe er wieder nach Hildesheim fährt.
Eine gute Zeit war das und ein guter Austausch. Insgesamt ist der heutige Sonntag wesentlich weniger anstrengend als die Tage zuvor, es scheint also bergauf zu gehen.
6.11. Dienstag
Blutabnehmen beim Onkologen. Mal wieder sehen, wo die Werte liegen:
HB- 10,7
Leukozyten- 5300
Thrombozyten- 396.000
Klingt nicht schlecht nach den Tiefstwerten noch vor 2 Wochen. Es scheint wirklich bergauf zu gehen und das macht Mut, denn schließlich soll ja dann im Dezember die Hochdosischemotherapie stattfinden und da geht es wirklich zur Sache.